Schildkrötenreservat Koh Kong
Der Regen machte uns schon seit ein paar Tagen schwer zu schaffen. Wir hatten trotzdem auf jeden Fall vor unseren Zeitplan einzuhalten, vor allem weil wir so völlig unerwartet in Phnom Penh vom Entwurfsprozess einer Bambus- Ausstellung abgezogen worden waren. Das beschäftigte uns und wir wollten auch weiterhin daran beteiligt sein. Doch auf der anderen Seite war diese Arbeit genau die Art von Mithilfe, die wir uns bei Building Trust International immer erhofft hatten. Aber hier in Koh Kong waren viele Schweißarbeiten aus Sicherheitsgründen bei diesem Wetter nicht möglich.
Die Region Koh Kong liegt etwa 8 Stunden Fahrt von Phnom Penh in Richtung Westen schon fast an der thailändischen Grenze. Dort findet man den gleichnamigen Ort, von dem es nochmal eine Fahrt mit dem Motorrad von einer halben Stunde ist, bis man hier im Reservat ankommt. Es gibt in dieser Gegend nicht viel, abgesehen von einer wunderbaren landschaftlichen Vielfalt, die aus Profitgründen sukzessive von der Regierung zerstört oder verkauft wird. Die nahen Strände werden auf Schiffe verladen und nach Singapur gebracht, um dort das Land zu erweitern. Im Gegenzug dafür bekommen die kambodschanische Regierung oder deren private Firmen ein paar Dollar extra. Leider verlieren viele Schildkröten dabei ihre Brutstätten und somit auch die Grundlage ihres Lebensraumes. Diese Umstände hat die asiatische Organisation „WCS – wildlife conversation society“ dazu veranlasst, hier gemeinsam mit BTI ein Schutzreservoir zu errichten, dass sie vor dem Aussterben schützen soll. Geschehen ist das vor fast einem Jahr. Seitdem ist die erste Regenzeit hereingebrochen und hat die Konstruktionen auf ihr Durchhaltevermögen geprüft. Auf dem Geländer lebt auch eine kambodschanische Familie, welche sich täglich um die Schildkröten und Krokodile kümmert. So arbeiteten wir nebeneinander und merkten die täglichen Fütterungen und Reinigungen der Wasserbehälter. Auch wenn ihre englische Kenntnissen gering waren, hatten wir viele lustige und lachende Minuten mit der unglaublich herzlichen Saron und ihren Kindern. Wir durften in diesem Zuge einen Küchen-Zubau für ihr Haus gestalten und einen neuen Schlafplatz für den Wächter entwerfen. Besonders amüsant war es, als wir sie durch die von uns geplanten Räume mit Hilfe unsers 3D-Models am Computer führten. Vollkommen begeistert und strahlend wollte Saron wissen, wann wir wieder kommen um die Entwürfe zu realisieren.
Wir sind seit einer Woche hier und versuchen das ein oder andere am Gebäude instand zu setzen, neue Bauteile hinzuzufügen und nicht funktionierende Lösungen zu verbessern. Um das bewerkstelligen zu können, besorgen wir uns in Eigenregie das nötigste an Werkzeug, kalkulieren Baumaterialien und suchen Möglichkeiten sie auf den Bauplatz zu befördern. Gerade mit den 6 Meter langen Stahlprofilen war das eine interessante logistische Herausforderung. Fast alles transportierten wir mit unserem Motorrad, welches wir bergauf fast immer anschieben mussten und wir waren auch nie sicher ob wir noch genug Benzin im Tank haben, da die Armaturen nicht funktionierten. Auch den 20 Liter Benzinkanister für den Generator mussten wir im Regen mit unseren Plastikponchos auf Coris Schoss über die nicht asphaltierte Straße transportieren. Unglaublich angenehm war es wenn wir einige Arbeiten ohne den Geräuschen des Generators verrichten konnten und zur Abwechslung die Natur um uns hörten. Wenn Rückfragen an BTI bestanden mussten wir jedes Mal 15 Minuten zurück in Richtung Stadt fahren, um ein Mobilfunknetz zu empfangen. Im Nachhinein ist es um so lustiger auf diese Zeit zurückzublicken.
Für alle geplanten Tätigkeiten suchten wir uns vorort Arbeitskräfte aus umliegenden Dörfern. Da Pim von Beginn an BTI zur Seite stand, hatten wir mit ihm einen tollen Anknüpfungspunkt zur umliegenden Community. Wir verteilen die Tätigkeiten entsprechend der Abwicklung unseres Zeitplanes, prüften diese im Nachhinein und packen die meiste Zeit selbst mit an.
So arbeiteten wir wochentags von 7 bis 17 Uhr und versuchten die an uns gestellten Herausforderungen zu meistern. Wir gingen durch Höhen und Tiefen, wie wir sie nicht vorhersehen konnten. Jedes Mal wenn ein Schritt fertig war, standen wir von einem neuen Problem, das gelöst werden musste. Oft mit Hand und Fuß mussten wir uns mit unseren Arbeitern verständigen und versuchen die Arbeitsmotivation der Männer konstant beizubehalten.
Zwischendurch besuchten wir in der Nähe einsame Strände und mystische Mangrovenwälder und freundeten uns so mit dem Ort langsam an. In uns wuchs die Sympathie und nach zwölf Tagen waren wir soweit mit allem fertig und machten uns auf den Weg zurück in die Hauptstadt. Bei der Rückfahrt dachten wir noch viel an den Ort, den wir nun hinter uns liesen und an die Energien die wir dort hinein gesteckt hatten. Die Aufgabe hier hat uns gezeigt, welche Hürden auf uns zukommen können und wie wir diese meistern können.
Viele Komplikationen auf der Baustelle kamen völlig unerwartet und es ist unmöglich sich auf diese vorzubereiten. Aber vor allem die Tatsache, falls wir selbst ein Projekt auf die Beine stellen wollen, tut es gut, dass wir nun wissen wie es geht.
„Dieses Erlebnis hat unsere Fähigkeiten gestärkt und wenn wir uns durch manche Momente nicht mühevoll durchgekämpft hätten, wären wir heute nicht so zufrieden mit uns.“
Officeleben bei BTI
Mit dem Chaos der Großstadt kam auch der geregelte Büroalltag wieder. Zufrieden und um ein paar außergewöhnliche Erlebnisse reicher fuhren wir wieder wie gewohnt jeden Morgen eine viertel Stunde ins Büro zur Familie Cole.
David und Louise haben hier vor sechs Jahren die Organisation Building Trust Cambodia gestartet und in ihrem eigenen kleinen Heim ein Büro eingerichtet. Mittlerweile haben sie die kleine Tochter Kaja und beschäftigen Freiwillige aus der ganzen Welt mit den unterschiedlichsten Hilfsprojekten. Auch Kambodschaner sind hier angestellt. Zu Spitzenzeiten saßen wir hier den ganzen Tag mit 13 anderen fleißigen Köpfchen und arbeiteten an verschiedenen Themen.
Leider musste die erwähnte Bambusausstellung noch warten, da ein anderes begonnenes Projekt in Kooperation mit Habitat for Humanity überarbeitet werden musste. Dabei ging es um einen Leitfaden in Buchform, mit dem es Kambodschanern in Zukunft erleichtert werden soll, ihre eigenen kleinen Häuser zu errichten. Tagelang saßen wir vor unseren Rechnern und recherchierten die unterschiedlichsten Fähigkeiten, die dazu benötigt werden. Von der Elektrik über Betonieren, den Materialien und dessen Verarbeitungsmöglichkeiten tasteten wir uns Schritt für Schritt vorwärts und lernten was es heißt mit einfachen Mitteln zu bauen. Dazwischen besuchten wir Baustellen um Vorort Dinge zu recherchieren und dokumentieren. Oft war es ein spannendes Erlebnis einerseits für uns, aber noch mehr oft für die Bauarbeiter, die aus ärmeren Verhältnissen stammend, die meist nicht viel mit Europäer zu tun haben. Flink sprangen sie barfuß über die Träger der Stahlgerüste in einer Hand die Zigarette haltend und in der anderen das Schweißgerät. Sicherheitsvorschriften und Bauvorschriften sahen wir selten, dafür aber oft sehr kreative Hilfslösungen. Ein anderes Mal ging Manuel in die Don Bosco Schule, wo bedürftigen Kindern Berufe erlernt werden. Dort verbrachte er den ganzen Tag mit frischen Elektrikern, die mit der Lösung von praktischen Aufgaben beschäftigt waren. Es war interessant für ihn zu sehen, welche Wege die Jugendlichen dort beschritten, um zu einer Lösung zu kommen. Manchmal führte das optisch zu einem unvergleichlichen Chaos, aber sie waren stolz darauf, dass ihre elektrische Schaltung funktionierte.
Was als kleines Projekt begann, wuchs langsam auf eine Art Schulbuch mit mehr als 1000 Seiten. Damit werden in Zukunft Schulungen abgehalten, um die Qualität im Bauwesen zu erhöhen.
Das Bambus Center
Das erste Mal bekamen wir das Center zu Gesicht, als David uns, damit meine ich Charlotte aus England, Chenda, Charlotte aus Frankreich, Cori und mich fragte ob wir nicht heute hinaus ins Zentrum fahren wollen um ein paar Bambusstäbe zu behandeln. Nichtsahnend stimmten wir euphorisch zu und machten uns gemeinsam mit ihm auf den Weg nach Ta Khmao, einem Vorort von Phnom Penh, wo das Zentrum verortet war. Erbaut aus Fördergeldern einer französischen Organisation nutzt BTI es momentan zur Behandlung von Bambus gegen Schädlinge. In Zukunft haben sie aber noch viel vor mit dem Ort. Kooperationen mit Universitäten, Ausstellungen und vieles mehr sollen Bambus als Baustoff interessanter machen und mehr in die Öffentlichkeit rücken. So schön wie sie das alles auch anhört, war unsere Aufgabe an diesem Tag dann doch nicht, weil die Behandlung in einem Pool aus stinkender Brühe geschieht, und jeder Bambusstab dort per Hand hinein und wieder heraus gehoben werden musste. Am Ende des Tages rochen wir, als hätten wir ein Bad in einer Senkgrube genommen. Leider hielt der Geruch die nächsten Tage noch an und wir zogen manchmal recht interessante Blicke auf uns.
Doch das war nur der erste von vielen Tagen, die wir dort verbrachten. So wurden wir auch mit der Aufgabe betreut, eine Ausstellung über den Werkstoff Bambus und seine Qualitäten zu planen. Wir begannen unterschiedliche Outdoor-Stationen zu entwerfen, die mit Highlights wie echten Bambusverbindungen in Originalgröße punkten sollen. Die Verbindungen bauten wir natürlich selbst. Im Zuge der Ausstellung wurden unter anderem auch für das Behandlungsbecken so wie für die Lagerung von Bambus neue Dächer entworfen und gebaut. Wir durften immer wieder mit anderen Volunteers in einem Team gemeinsam arbeiten. Auch in unserer Freizeit wurde die kleine BTI Familie ein starker Bestandteil aus unserer Zeit in Kambodscha. Gemeinsamer Brunch, gemütliche ausklingende Feierabende wie geplante Erkundungstouren schweißten die Gruppe mehr und mehr zusammen. Wenn wir heute an die Zeit zurück denken, vermissen wir unsere neuen Freunde oft und hoffen, dass wir sie irgendwann irgendwo wieder sehen werden. Vielleicht gibt es ja ein BTI – Reunion Treffen zurück in Europa! Um noch am Ende unseres Beitrags die liebe Carola zu zitieren:
„Traveling makes you richer not only because of the incredible places you visit but also because of the amazing people you meet!“
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Ein fantastischer Post der einen sehr guten Einblick in das Volunteer Leben und seine Höhen und Tiefen bietet. Ich glaube ich kann für alle sprechen und sagen dass euch BTI und all seine Volunteers nicht nur professionell sondern auch persönlich sehe vermissen!