Mitten im Pazifik
Wenn wir heute zurückblicken auf das letzte Land, in dem wir vor unserer erstmaligen Rückkehr nach Österreich haltgemacht haben, dann beginnen wir zu träumen. Uns fällt dann jedes Mal schlagartig der Moment ein als wir während des Hinfluges von Fidschi durchs Fenster blickten und das erste Mal die Formenschönheit der pazifischen Inselwelten aus der Luft sahen. Voller Staunen erblickten wir gewaltige Archipel umgeben von türkisfarbenen Korallenriffen, und schlangenlinienförmige Atolle übersäht mit weißen Sandstränden. Stunden später noch spürten wir die Aufregungen dieser endlosen Landschaft in uns und überlegten, wie unbeschreiblich groß der Pazifik sein muss. Heute wissen wir, dass er in der Länge seiner größten Stelle fast 40% des gesamten Erdumfanges beträgt und seine tiefste Stelle unfassbare 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel liegt.
Was wir auch wissen ist, dass die Landmasse darin verhältnismäßig so gering ist, dass sie von Europa aus nicht einmal auffällt. Ein dieser Inselwelten ist Samoa, die auf zwei Inseln verteilt gerade einmal der Fläche von Vorarlberg entspricht. Vor langer Zeit ist sie durch vulkanische Aktivitäten entstanden und im Laufe der menschlichen Ausbreitung ließen sich Polynesier nieder und entwickelten einen bemerkenswerten sozialen und kulturellen Standard, der bis heute praktiziert wird. Dennoch umrunden auch asphaltierte Küstenstraßen mittlerweile beide Inseln und erschließen so alle Dörfer der hier lebenden 180.000 Menschen. Im Landesinneren erstrecken sich dichtbewachsene Vegetationen und aktive Vulkanlandschaften auf teilweise 2000 Meter hohe unzugängliche Bergspitzen.
Fa’a Samoa
Das Leben dort findet in Familienverbänden statt. Der Tradition nach dient alles was man tut dem Wohlergehen der Familie. Jedes Familienmitglied hat fest vorgeschriebene Rollen und dazwischen existiert nur wenig Spielraum für persönliche Entfaltung. Die Fa‘a Samoa, wie die samoanische Lebensweise genannt wird, bietet dir dafür im Gegenzug einen lebenslangen Platz innerhalb deines Verbandes. Uns wurde ihre Art zu leben vor allem durch die Ausdrucksprache ihrer Häuser bewusst. Anstatt üblicher Häusergruppierungen stehen entlang der Straße sogenannte Fales, die uns mehr an Pavillons erinnerten als an Behausungen. Sie werden meist in ovaler Form gebaut und verzichten völlig auf Wände. Wir haben sie hier richtig lieben gelernt, einerseits weil wir selbst darin wohnten und andererseits weil es Spaß macht die Straße entlang zu gehen und zu beobachten, was jeder gerade tut. Die wenigen Möbel stehen darin oft wahllos im Raum verteilt. So wurde plötzlich jeder Alltagsschritt für uns einsehbar. Frauengruppen versammelten sich gerne in größeren Fales um gemeinsam Körbe zu flechten, Kinder spielten kreuz und quer, viele Samoaner halten jeden Tag einen Mittagsschlaf und hin und wieder beobachteten wir sogar Zeremonien oder Zusammenkünfte von Matais, wie die Chiefs der Familienverbände genannt werden.
Der Ursprung des Tätowierens
Viele Familienverbände haben auch spezielle Fähigkeiten, die nur sie ausführen dürfen und keine anderen. Das Tätowieren, das ursprünglich aus Samoa stammt, ist auch heute noch eine dieser Fähigkeiten und wird von nur fünf Familienverbänden in ganz Samoa praktiziert. Für jeden Samoaner ist es eine wohlverdiente Ehre, die Pracht dieses Körperschmuckes zu tragen. Wird diese Entscheidung einmal getroffen, kommt die gesamte Familie zusammen und steht dem Samoaner finanziell und emotional zur Seite. Durch 15 qualvolle Sessions wird mit traditionellen Holzstäbchen und Titanzinken vom Tätowierer selbst ein Takt angestimmt und langsam in die Haut eingearbeitet. Das passiert durch reine Handarbeit ohne jegliche maschinelle oder medizinische Unterstützung. Das Muster selbst ist dabei die künstlerische Intuition des Meisters und entsteht abgesehen von der formalen Gesamterscheinung, die bei jedem Samoaner immer gleich ist, von Grund auf. Sie verweist auf tausende alte Kultur Samoas.
Wichtig ist bei dem gesamten Ritual, dass der Geist stark bleibt und trotz der qualvollen Schmerzen und Leiden nicht aufgegeben wird. Übersteht man das ganze Ritual bringt der Samoaner durch seine Tat Ruhm und Ehre über seine ganze Familie, bricht er den Akt ab bringt es hingegen Schande. Das Besondere hingegen ist nicht die Tätowierung zu haben, sondern zu wissen, wie man sie bekommt.
Im Jetzt leben
Wenn wir heute darüber nachdenken, was wir über diese Welt am liebsten erzählen, dann fällt uns als erstes ein, wie wenig wir dort gesehen haben und wie viel wir trotzdem davon mitnehmen konnten. Wir waren mittlerweile schon so lange Zeit gereist und hatten so viele konträre Erlebnisse quer durch ganze Kontinente gesammelt, dass es sich wie Erleichterung anfühlte, einfach nur den Moment zu genießen und auf uns zu wirken lassen. Oft verbrachten wir mehrere Tage einfach am Strand direkt vor unserer Fale und ließen die Andersartigkeit der Kultur auf uns wirken. Wir standen auf mit den ersten Sonnenstrahlen die uns erreichten, lebten tagsüber mit dem Wind und spürten die Veränderung von Ebbe und Flut. Über uns zogen am Himmel die Wolken dahin und mit ihnen die Zeit. Ob in der Nacht plötzlich Wind aufkam, am Morgen uns Kinder weckten oder tagsüber Schweine vorbeispazierten, wir waren immer ein Teil unserer Umgebung und spürten was gerade los ist. Oft dachten wir über unsere Reise nach, wo sie begann und wie weit wir es geschafft haben. Wir spannten einen gedanklichen Bogen von den gewaltigen Höhen der Himalayas bis hierher in den tiefen pazifischen Ozean nach Samoa und fragten uns:
„Wie sollen wir je jemandem erzählen können, was wir hier gerade wirklich erleben?“
Esskultur
Vormittags lag Manuels einzige Hauptbeschäftigung oft darin mit anderen Backpackern Kokusnüsse von Palmen zu holen, um sie fein säuberlich aus der Schale zu entfernen und den Saft für das Mittagessen in Flaschen umzufüllen. Da es praktisch keine Restaurants, Bars und richtigen Geschäfte gab, bekamen wir Essen von der Familie, wo wir übernachteten und brauchten uns auch um sonst nichts kümmern. Das Essen selbst ist für uns schwer zu beschreiben, weil es die meisten Zutaten in Europa nicht existieren. Gekochte Brotfrüchte, Taro, Kochbananen, meistens Kokosnuss- Creme dazu, Fisch, Schwein oder Huhn, standen an der Tagesordnung. Hin und wieder führten Familien kleinere Straßenstände, wo wir uns ein Bier oder Cola kaufen konnten. Das Leben reduzierte sich aufs Wesentlichste und wir mussten uns um nichts Gedanken machen.
Sehenswertes
Von den möglicherweise insgesamt acht Attraktionen, die es überhaupt auf Samoa zu sehen gibt, wurden sieben durch die Natur erschaffen. So spazierten wir über Lavafelder, die gerade einmal 100 Jahre alt waren. Die Natur beginnt dort mittlerweile langsam wieder durchs messerscharfe Gestein durchzubrechen und bringt interessante Formen mit sich. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stiegen wir außerdem hinab in den Ta Sua Ocean Trench, einem spektakulären Loch im Boden, und gingen darin schwimmen. Wie weit wir uns vortrauen, testeten wir bei den teilweise 20 Meter hohen Blowholes. Durch ehemalige Lavaröhren schießen dort mit immenser Wucht Meereswellen in die Luft.
Über die Zukunft
Auch den Klimawandel bekamen wir zu spüren als wir längere Zeit in einer Unterkunft übernachteten und Teile einer Klimakonferenz von Chiefs aus der Region mitbekamen. Viele Teile von Samoas Küstenlinie mussten schon befestigt werden weil die Landmassen nach und nach ins Meer abrutschten. Bei Flut ist der Meeresspiegel erschreckend hoch oft und überschwemmt Strände und Fales. Es war traurig zu erkennen, wie viel den Samoanern an ihrer Insel liegt und wie hilflos sie ihrer Zukunft entgegen sehen. Neuseeland hat heute schon Hilfe angeboten und jedem Samoaner eine freie Einreise geboten, doch wissen wir mittelerweile nur zu gut wie es sich anfühlt, nicht zu Hause zu sein.
„Wie wird unser aller Zukunft aussehen?“
Mit gemischten Gefühlen bestiegen wir zwei Wochen später unser vorerst letztes Flugzeug, das uns zurück nach Österreich brachte. Unglaublich viel hat uns in in den letzten 15 Monaten zu tiefst bewegt, verändert und mit Freude erfüllt! Unglaublich schreckliche Verbrechen an Mensch, Tier und Natur haben wir dabei erleben müssen. Vieles hätten wir womöglich ohne diese Reise nie erfahren. Umso mehr jedoch gibt es nun weiter zu entdecken.
Da standen wir nun. Zwei Menschen, mit ihren Rucksäcken und vollgepackt mit Erinnerungen, die äußerlich nicht wirklich verändert aber innerlich bereichert durch unzählige Erlebnisse, wieder heimkehrten. Als wir im Flugzeug saßen, konnten wir noch nicht begreifen wirklich in die Heimat zu fliegen. Großer Wehmut war zu spüren und Tränen flossen uns über die Wangen. Hand in Hand betraten wir den Flughafen Wien und waren einfach dankbar für die unvergessliche Zeit die wir erleben durften. Gleichzeitig erkannten wir eine tiefe Freude, die Freude bekannte Gesichter wieder zu sehen und in unsere Arme zu schließen.
Seid gespannt wo uns unsere nächste Reise hinbringt, wir sind es auf jeden Fall…
Bula Bula heißt soviel wie Hallo auf samoanisch und soll euch gelten, die wir schon lange vermisst haben und freuen wiederzusehen. Cori und Manuel
2 Comments
Hey,
also die Bilder sind wirklich atemberaubend. Dort muss ich auch mal als nächstes hin wenn es das Budget erlaubt 🙂
Danke dafür und liebe Grüße
Daidi
Hallo Daidi,
danke für deine Antwort, ja da würden wir jetzt auch gerne noch sein. liebe Grüße