Abschied
Irgendwie erleichtert verließen wir den Ort Kengtung wieder und machten uns auf Myanmar zu verlassen. Uns war zu dieser Zeit noch völlig unklar, wie unsere Reise über Land nach Thailand verlaufen würde. Wir wussten, wir würden mit unserem Bus irgendwo im Grenzort Tachilek ankommen, doch alle weiteren Schritte überließen wir dem Mut zur spontanen Entscheidung. Danach war es noch ein weiter Weg in die Stadt Chiang Rai, vor allem weil wir nicht genau wussten, was uns dort erwarten würde.
Während der Fahrt spürten wir, dass mit Verlassen dieser Region wieder ein neuer Abschnitt beginnen würde. Obwohl Landesgrenzen doch nur eine Erfindung der Menschheit sind, verändert sich bei deren Überschreitung auf einen Schlag das Eine oder Andere. Manchmal ist der Unterschied größer und wir erkennen sofort, dass sich etwas anders verhält. An anderen Tagen wiederum erkennt man auf den ersten Blick überhaupt nichts und im Nachhinein, wenn man anfängt zu verstehen, fällt einem Vieles auf. Wie der Moment an der Grenze sein wird, wissen wir davor selten. Zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Hektischer Verkehr, überflüssige bürokratische Regeln, riesige Distanzen zwischen beiden Passkontrollen und im schlimmsten Fall Probleme bei der Ein- oder Ausreise verursachen oft Schwierigkeiten. Aber es passieren auch schöne Momente. Man begegnet liebenswerten Menschen, die dasselbe durchmachen, lernt manchmal etwas fürs Leben dazu oder bemerkt wie erfüllend es sein kann, einfach zu warten und die eigene Welt um einen herum zu beobachten.
Während wir im Bus saßen und so darüber nachdachten, fuhren wir erneut durch die Urwälder, die uns bei der Hinfahrt schon auffielen. Es war noch am Morgen und wir sahen hin und wieder vereinzelte Menschen herumschwirren. Wir fragten uns wie sie ihr Leben in Myanmar wohl sehen. Vielleicht wohnen sie tief im Wald weit hinter den Hügeln und sind froh, wenn sie dort niemand stört. Vielleicht aber auch nicht und sie versuchen im Fortschritt anzukommen mit Hoffnung auf ein angenehmeres Leben. Unser Besuch zuvor bei den alten Stämmen Myanmars brachten uns zum Nachdenken. Oft schon haben wir über diese Fragen nachgedacht, auch hier wurden wir nicht wirklich weiser. Das Spannungsfeld zwischen moderner Gesellschaft und traditionellem Leben ist enorm in dieser Region. Wir fragten uns wie dieser Ort wohl in fünf Jahren aussehen wird.
Die Grenze
Mit den ersten Straßenkontrollen merkten wir, dass Tachilek nicht mehr weit war. Wir wussten, dass wir als einzige Ausländer der Grund waren, warum wir bei jeder davon so lange Wartezeiten hinnehmen mussten und freuten uns gleichzeitig auf die Einfachheit zu Reisen in Thailand. Am Ziel angekommen, dachten wir nur, alles ist viel größer als erwartet und wir freuten uns umso mehr, als unser Freund Aung Min uns vom Busbahnhof abholte und zur Grenze brachte. Cori hatte bei der Hinreise ihre Yogamatte in seinem Bus vergessen und so bekamen wir sie wieder. Überglück war sie darüber nicht noch einen Gegenstand auf der Reise zu verlieren oder zu vergessen. Zur Auffrischung nach der langen Fahrt setzten wir uns vor dem Grenzübergang noch in ein Café und genossen unser erstes Essen des Tages. Das Menü war schon in thailändischen Baht ausgewiesen, das Essen traditionelle thailändische Küche und der Kaffee endlich wieder so, wie wir ihn mochten. Unsere letzten Minuten in Myanmar genossen wir mit thailändischer Esskultur und Blick nach Thailand. Ansonsten war hier nicht viel los, abgesehen von dem vielen Transitverkehr.
Der Grenzübergang war dem der Einreise identisch. Mitten im Ort erhob sich eine Brücke, die über eine Mauer hinweg verlief und zu beiden Seiten Türme als Kontrollposten besaß. Unsere Grenzüberschreitung ging sehr schnell und schon waren wir drüben. Dort entfaltete sich auf einen Schlag die Welt des Konsums und seinen unendlichen Möglichkeiten Geld auszugeben. Überall waren die Straßen überfüllt mit Verkaufsständen und Marktwagen.
„Der Unterschied der beiden Länder könnte nicht spürbarer sein.“
Westliche Touristen strömten an die Grenzevon Thailand um nach Myanmar einen „Blick“ zu werfen und danach wieder zurückzufahren. Für uns ging es gleich weiter und so schnell konnten wir gar nicht schauen waren wir auch schon am Busbahnhof und fanden einen öffentlichen Bus nach Chiang Rai. Darin waren zwar keine Touristen, doch dafür hatten wir wie so oft Spaß mit den Einheimischen.
Kulturelles Verhängnis
Zwei Frauen saßen eine Reihe hinter uns. Verhüllt in Tücher machten sie auf uns den Eindruck als wären sie Mutter und Tochter. Erst während der Fahrt merkten wir, dass sie dahinter goldene Halsreifen versteckten. Sofort erinnerten wir uns an den Stamm der Long-Necks in Myanmar, den wir nicht besuchten, weil es als touristische Attraktion jegliche Werte verloren hat, die traditionelles Leben ausmachen. Sie versteckten sich in der Öffentlichkeit, weil sie keine Attraktion sein wollen. Sie könnten ihren Halsschmuck aber nicht ablegen, weil ihre Hälse den Gewichten nicht mehr standhalten würden. Doch sie waren hübsch geschminkt und schienen nach Hause zu fahren. Vielleicht leben sie diese Kultur auch nach wie vor.
Im Norden Thailands gibt es ein ganzes Dorf der Long-Necks, dass einzig zu touristischen Zwecken erbaut wurde. Wir wissen bis heute nicht, was wir davon halten sollen. Vielleicht schützt die Existenz dieses inszenierten Dorfes für Touristen andere Dörfer davor, dasselbe Schicksal zu erleiden. Jedoch wird durch dieses Beispiel erst deutlich, dass die Frauen in ihrer Freiheit beraubt wurden und als fotografische Attraktion gesehen werden. Der Abgrund, in den die momentan noch autarken Stammeskulturen zu fallen scheinen, lässt auf jeden Fall nichts Gutes erahnen.
Weiß-Schwarze Aussichten
Chiang Rai bot uns Abwechslung. Bei unserer Ankunft merkten wir schon die gemütliche Atmosphäre der Straßen mit seinen günstigen Restaurants und Geschäften. Etwas wirklich Besonderes hier sind die zwei Bauwerke, die zwar unabhängigen Ursprungs sind, sich aber durchaus zu ergänzen scheinen. Erzählen wollen wir euch etwas vom weißen Tempel und dem schwarzen Haus.
Der weiße Tempel ist ein ästhetisches Schauspiel konzeptionellen Ideenreichtums und so neu, dass er noch mindestens zehn Jahre braucht, bis er fertiggestellt wird. Er verkörpert die Frage nach Religion in der Gegenwart und widmet sich dessen Bedeutung in der Gesellschaft. Man findet darin neben unglaublichen handwerklichen Leistungen viele Anspielungen auf das moderne Leben in skulpturaler, architektonischer und bildender Form. Alle von ihnen spielen eine bestimmte Rolle in einem übergeordnetem Gesamtkunstwerk. Vor dem Betreten des weißen Tempel führt einem ein Pfad über eine Brücke, die einen Abgrund überquert wo Hunderte von Händen nach einem strecken. Das Innere des Tempels löst sich von der weißen Sterilität und entfaltet an den Wänden ein farbenprächtiges Schauspiel an Geschichten und Anekdoten zum Leben und den Wertvorstellungen, die wir haben. Sei es der Konsum, die Macht der Medien oder der Einfluss der alten Religionen, hier findet alles seinen Platz und wenn noch nicht vorhanden, wird es noch entstehen. Denn der Künstler ist noch nicht fertig. Seelenruhig kniet er auf einem Gerüst und malt gerade ein Detail, während die Besucher sein bisheriges Werk bewundern. Die Anlage herum ergänzt den Eindruck noch um ein Vielfaches. Neben weißen Flammen und Götzentieren, spielen hier auch die Besucher eine bleibende Rolle. So wird man gebeten eine Botschaft zu hinterlassen auf einem Aluplättchen, dass man auf vorgesehenen Stellen aufhängt und so einen prägenden Anteil zur Gestaltung des Ortes liefert. Man kann es auch so betrachten, dass dieser Ort sich der Zukunft widmet, weil jeden Tag etwas hinzugefügt wird.
Ganz anders hingegen verhält sich das schwarze Haus, dass eher als eine Art Freiluftmuseum verstanden werden kann. Sein Erschaffer betrachtet sich als Bewahrer traditioneller Werte und versammelt an diesem Ort die unterschiedlichsten handwerklichen und künstlerischen Kenntnisse der thailändischen Kultur. Diese sind in mehreren mit traditionellem Vorbild gebauten Hütten untergebracht, die gemeinsam ein Dorf darstellen. Das Bild wirkt erhaben und düster. Trotzdem strahlt dieser Ort etwas Anziehendes aus. Die vielen Details und versteckten Raffinessen erklären, warum auch dieser Bau so viele Jahre zur Fertigstellung brauchte. Teilweise fühlten wir uns in der Zeit zurück versetzt.
Angebot und Nachfrage
Die nächste Stadt Chiang Mai wird uns als Kunststadt in Erinnerung bleiben. Die Altstadt ist in einem quadratischen Feld mit ungefährer Seitenlänge von 2,5 km und umrundet von einem Wassergraben. Einst waren hier die Mauern der Stadt, das Leben findet hier aber auch außerhalb statt. Teilweise sogar auf viel authentischere Art und Weise, da sich die meisten Touristen hauptsächlich im Zentrum befinden. Mit einer Stadtkarte speziell für die Kunstszene bewaffnet fuhren wir mit unseren Fahrrädern die Straßen der äußeren Vierteln auf und ab auf der Suche nach künstlerischen Einflüssen.
Wir könnten es uns hier richtig gut gehen lassen. Toller Yogaunterricht wird hier ebenso geboten, wie die Möglichkeiten thailändisch Kochen zu lernen. Gemeinsam gingen wir mit unserem jungen Koch zum Markt einkaufen, wo uns vieles über einheimische Gewürze und Kochweisen erklärt wurde. Danach machten wir uns in einer Gemeinschaftsküche breit und lernten jeder sechs verschiedene thailändische Gerichte zuzubereiten. Spätestens als unser Kochmentor Lady Gaga erklingen lies und zum mitsingen anstimmte, blickten wir uns mit einem breiten Grinser an und dachten beide wie typisch dies für Thailand ist und kochten weiter in unseren Woks die schmackhaften Gerichte. Darunter eine Tom-Yam Suppe, Sticky Reis mit Mango, einen Papaya Salat oder auch das leckere Pad Thai Nudelgericht.
Das Leben im Hamsterrad
Mit gestreckten Beinen saßen wir im Nachtbus nach Bangkok und beobachteten durch die riesengroßen Panoramafenster die dunkle Welt außerhalb. Punktuelle Lichtquellen zeigten uns das Bild einer Landschaft, die auch zu Hause hätte sein können. Wie in einer Roadmovie- Sequenz bekommen wir die Fahrzeuge zu sehen, die der Bus überholt. Und wie im Film wird alles begleitet durch die passende Musik im Ohr von Eddie Vedder mit dem Song – Long Nights. Normalerweise können wir dann auch während stressiger Busfahrten zu unserer inneren Ruhe finden, doch an diesem Tag herrschte von Anfang an eine angenehme Stille. Wir fuhren mit einem typischen Touristenbus.
Es wurde im Bus keine laute Musik gespielt und keine Filme in schlechter Qualität untermalten unseren Schlaf. Keine schreienden Kinder waren da, der Nachbar vor dir stresst nicht mit seiner Lehne und der Nachbar hinter dir klopft während der Fahrt nicht ständig gegen deinen Sitz. Er holt dich direkt von der Unterkunft ab und setzt dich in einer der größten Touristenbezirke Bangkoks wieder ab. Du brauchst dich um keine Transporte kümmern, in vielen Fällen musst du nicht einmal selbst dein Gepäck tragen. Die Klimaanlage ist so kalt eingestellt, dass man nur bewaffnet mit Decken und Socken die Nacht auch gut durchschlafen kann. Thailand ist das Land des leichten Reisens.
„Wenn man nicht will, muss man mit der Kultur nicht einmal wirklich in Berührung kommen.“
Durch die Einfachheit des Reisens wird Thailand für viele Einstieg- Backpacker ein stark frequentiertes Ziel in den nächsten Jahren bleiben. Möglicherweise wird dieser Trend in den nächsten Jahren noch verstärkt und kritischen Aspekte des Massentourismus verlagern sich auf eine ganz neue Ebene, in der es nicht mehr darum geht ein möglichst komfortables Hotel zum Entspannen zu finden, sondern eine möglichst komfortable Reiseroute in einem ganzen Land.
Die Räder des Konsums
Das erste Sonnenlicht zeigte uns den Blick auf die Stadt und wir bereiteten uns vor für die Ankunft. Der Bus hielt nicht genau dort, wo wir ankommen wollten. So hatten wir dann noch ein Stück zu laufen. Volles Gepäck, ein Rucksack vorne mit geschätzten 6 kg, ein Rucksack hinten mit geschätzten 15 kg. Mit dem Gedanken schon bei der thailändischen Post um überflüssiges Gepäck nach Hause zu schicken schlenderten wir die berühmte Khao San Road (Shopping und Partymeile) entlang und beobachteten das früh morgendliche öffentlich Treiben. Müllarbeiter säuberten die Straße, Partymenschen saßen noch herum oder machten sich gerade auf den Weg Richtung Schlafplatz. Wir konnten richtig gut spüren, wie die letzte Nacht hier wohl gewesen sein muss. Doch wir wollten nicht im Geringsten nachempfinden, wie es wohl sein muss, das jeden Tag von neuen durchmachen zu müssen und dachten dabei an die Einheimischen.
Für uns hat die thailändische Kultur viel mehr zu bieten, als das was wir hauptsächlich von zu Hause mitbekamen. Eine kulturell ausgeprägte Vielfalt wie hier konnten wir bisher nur in wenigen anderen Ländern erkennen und obwohl noch in vielen Richtungen Entwicklungsdefizite vorhanden sind, schaffen sich die Thais hier auf unkonventionelle Art und Weise manchmal enorme Vorsprünge uns gegenüber. So ließen wir die mächtigen Wolkenkratzer der Weltmetropole hinter uns und beendeten mit den Erinnerungen an unseren letzten Aufenthalt in Bangkok ein Monat zuvor unsere zweite Reise durch Thailand.
Eindrücke aus Chiang Rai und Chiang Mai
2 Comments
Selten einen so guten Beitrag gelesen. Ich kenne die Region in Nordthailand sehr gut besonders Chiang Rai und Umgebung aber trotzdem kannst du mich aufs neue begeistern. Danke!!!!
Da bekommt man Vorfreude auf unsere nächste Tour nach Chiang Rai und Chiang Khong in drei Wochen.
LG Daniel & Dokmai
Hallo Daniel & Dokmai,
wow wir waren lange nicht aus unserem Blog. LEider etwas eingerostet und erst vor kurzem geweckt worden. Das freut uns total das euh unsere Zeieln Gefallen haben. Vielleicht seid ihr inziwschen auch dortgewesen und konntet euch selbst begeistern. liebne Grüße