Manchmal wenn wir reisen, besuchen wir Orte, die nie eingeplant waren, sich aber aus organisatorischen Gründen ergeben. In diesem Fall meinen wir damit, dass unser Flug über Kuala Lumpur nach Neuseeland billiger war als alle anderen Angebote. Das führte dazu, dass wir beschlossen ein paar Tage mehr in der großen Hauptstadt von Malaysien zu verbringen.
Wir wussten zwar, dass wir uns in dieser kurzen Zeit nie ein Meinungsbild über das Leben und die Umstände hier machen können, freuten uns aber dass nach den vielen Inseln der Philippinen wieder einmal Veränderung spürbar wurde. Vor allem interessierte uns die islamische Ausrichtung der dortigen Bevölkerung, da das Land damit im Süd-Ost-Asiatischen Raum sehr selten ist.
Als wir ankamen merkten wir keinerlei Unterschiede zu den von bereisten Ländern zuvor. Der Flughafen erschien enorm groß, ein Shuttlebus brachte uns zur nächsten Anbindung ans U-Bahnnetz und mit dieser ging es weiter in den gewünschten Teil der Stadt. Die Menschen um uns herum plauderten miteinander, lachten zwischendurch immer wieder und gingen ihren gewohnten Tätigkeiten nach. Frauen und Männer mischten sich unter einander. Ihr Kleidungsstil reichte von traditionell bis modern, die Burka war dabei allgegenwärtig. Trotzdem sahen wir darunter nur sehr wenige streng gläubig in schwarz gekleidete Muslime. Wahrscheinlich ist der Glaubensstatus in der urbanen Stadt auch weitaus offener im Umgang mit modernen Lebensstilen als die Gebräuche und Sitten der ländlichen Regionen in Malaysien.
Als wir die U-Bahn verliesen, fiel uns das erste Mal die enorme Anzahl an chinesischen Geschäften und Restaurants auf. Zwischen Seven-Eleven Shops, Backpacker- Hostels und Massagestudios spazierten wir zur Travellers Palm Lodge, wo wir zum Empfang gleich einmal vor verschlossenen Türen standen. Nach einiger Zeit sperrte uns die Besitzerin von innen das Vorhängeschloss auf und erzählte uns im selben Moment, warum es so wichtig ist, dass dieser Eingang immer verschlossen ist. Man kann nie wissen welche unerwünschten Gäste plötzlich im eigenen Haus stehen betonte sie immer wieder. Sie führte uns durch die alten kolonialen Zimmer in den Raum wo unsere Betten reserviert waren und erzählte uns alles was ihr wichtig erschien. Hinter der älteren malayisxhen Frai versteckte sich immer ihre kleine achtjährige Tochter und blinzelte uns voll Neugierde zu. Am Gang stand eine riesige Weltkarte voll mit Pins von Menschen, die schon hier gewesen sind und hin und wieder sahen wir Backpacker-Touristen vorbeispazieren.
Alles wirkte vollkommen in Ordnung und wir strömten kurze Zeit später hinaus in die Stadt. Als wir das Schloss hinter uns wieder versperrten, fragten wir uns trotzdem noch wieso dieser Aufwand nötig sei.
Auf der Straße herrschte hektisches Treiben, vor allem entlang des Jalar-Alor Boulevards, wo jegliche Art von Restaurants um die Aufmerksamkeit der umher irrenden Gäste kämpfte. Es schien so, als würden die Menschen sich hier für irgendetwas vorzubereiten. Unwissend spazierten wir mit den Laptops unter dem Arm weiter in ein Café, dass wir uns zuvor schon gesucht hatten. In den nächsten Tagen stand vor allem für Manuel viel Arbeit auf dem Program und er benötigte dazu einen brauchbaren Arbeitsplatz. So liefen die Stunden dahin und um ihn herum auch die kommenden und gehenden Gäste. Die meisten von ihnen waren junge Moslems. Auch spürte er die leichte und freundliche Art, wie jeder miteinander umzugehen schien.
Inzwischen machte sich Cori alleine auf um einige Besorgungen zu machen. Überwältig von der Größe der Shoppingszentren der Stadt benötigte sie einige Zeit um sich zu orientieren. Die Eingangsportale waren mit chinesischen Lampions dekoriert und im Inneren sah sie überll riesige Kunststoff-Kirschbäume verziert mit goldenen Details. Gefangen und verloren in der Gigantomanie der Konsumwelt wurde ihr wieder einmal bewusst, wie unnötig viel Zeit damit verbracht wird. Vollkommen erleichtet erreichte sie einige Stunden später wieder Manuel der noch immer seiner Arbeit nach ging.
Wir machten auch eine Stadterkundung.
Vor allem Malaysiens wichtigstes Landmark wollten wir uns nicht entgehen lassen. Die Petronas Towers mit 541 m Höhe stellen durch ihre Architektur auch eine Art religiöses Symbol dar, durch welches der Islam gehuldigt wird. Es ist beinahe unglaublich wieviele Souveniere wir von diesem Bauwerk zu Gesicht bekamen. So industriell, makellos und steril wie von außen, erstrahlte das Gebäude auch von Innen. Darum herum findet sich die Skyline der Stadt, die uns sehr an Singapur erinnerte und das nicht nur wegen der hohen Gebäude, sondern auch wegen der darauf vetretenen Unternehmen.
Mit der U-Bahn erreichten wir einen zweiten Teil der Stadt, der wir sehen wollten. Die Geschichte, welche die Entwicklung durchlaufen hat, wurde hier sehr gut spürbar. An einem Platz genannt Dataran Merdeka fanden wir dort alle historisch nennenswerten Gebäude verteilt. So hielten wir uns hier eine Weile auf ließen das Szenario und die unterschiedlichen Baukünste auf uns wirken, bis wir das Museum der Stadt besuchten. Dort erfuhren wir, dass Kuala Lumpur erst vor 180 Jahren von chinesischen Landsleuten als Zwischenstation für den Transportweg zu ihren Zinnminen weiter im Landesinneren gegründet wurde. Der Name der so entstanden ist, bedeutet soviel wie schlammige Flussmündung und spielt auf den Fluss an, den die Boote hoch fahren mussten, um hierher zu gelangen. Heute leben im Metropolraum mehr als 8-Millionen Menschen, die Hälfte davon immer noch Chinesen. Die andere Mehrheit sind Malayen dessen Anzahl durch die Flucht aus ländlichen Gegenden ständig wächst. Daneben hat sich wie überall in Asien im Laufe der Jahre durch den Bedarf an Gastarbeitern auch ein beträchtlicher Anteil an Inder angesiedelt.
Am selben Abend ließen wir es uns gut gehen. Wir hatten etwas zu feiern. Es war der 11. Februar und unsere Reise dauerte somit schon ein ganzes Jahr! Schon tagsüber dachten wir viel über die letzte Zeit nach und was geschehen ist. Wir freuten uns, dass wir immer noch zusammen unterwegs sind und fragten uns wie wohl ein Vergleich unserer Ansichten und Denkweisen zwischen dem Davor und Danach ausgehen würde. Wir haben viele Dinge gesehen, die unser Weltbild erweitert haben, aber auch verändert in Richtungen, die wir nicht vorhersahen.
Euphorie und auch irgendwie Stolz es schon solange zu meistern zauberte ein Lächeln in unsere Gesichter, als wir Hand in Hand zurück zum Hostel spazierten. Feuerwerke begannen den Himmel zu erleuchten und weil die ganze Stadt irgendwie davon beeinflusst wurde, begannen wir zu scherzen, dass das alles uns gewidmet sei. Neben uns begannen Menschen Knallkörper zu zündeten und bald scheinte es so als würde die ganze Stadt feiern. Irgendwie erschien es uns bald etwas merkwürdig und wir begannen zu fragen, was es den zu bedeuten habe. Am Anfang bekamen wir nur Antworten wie „die Chinesen sind verrückt“ und „sie lassen wieder einmal die Stadt explodieren“, doch bald erfuhren wir dass chinesisches Neujahr war und wir in einem der Zentren wohnten. Der Jalar-Alor Boulevard war überfüllt mit Menschen. Überall liefen verkleidete Drachen umher und tanzten sich durch die Massen. Chinesische überlieferte Heldensagen erwachten zum Leben, traditionelle Glücksspiele formten Traubrn von Menschen um sich und Akrobaten führten Kunststücke auf. Einerseits war es schön zu sehen, wie die Chinesen es gonossen zu feiern, andererseits war ihre Hemmungslosigkeit beinahe etwas beängstigend.
Für uns war es interessant auch die chinesische Kultur einmal zu spüren, bevor wir auf unserer Reiseroute den asiatischen Raum erstmals verließen und in eine völlig andere Ecke der Welt eintauchten. Obwohl wir leider nicht alle Länder auf unserer bisherigen Reise durch Asien besuchen konnten, sind wir der Meinung trotzdem eine recht umfassende Landkarte der unterschiedlichen Kulturen, Glaubensansichten, Lebensweisen und damit verbundenen landschaftlichen Phänomenen gestaltet zu haben.
Gespannt machten wir uns auf den Weg nach Neuseeland und damit unser erstes Land der westlichen Welt.
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