Die Stadt am See
Pokhara lässt sich für uns am Besten als unser persönliches nepalesisches Ideal von Entspannung beschreiben. Die Stadt mit seinen knapp 300.000 Einwohnern liegt am Fuß des Himalaya und schmiegt sich an einen See genannt Fewa Lake. Würden die massenhaften Outdoor- Equipmentshops nicht die Hauptstraße des Lakeside-Distriks zieren und Gespräche über Bergerlebnisse nicht ständig die Runde machen, würde wir nicht merken, dass die mächtigen Berge der Annapurna hinter ein paar Hügeln in aller Ruhe warten, erobert zu werden. Ist das Wetter klar, kann man sogar die Gipfel der emporragenden 7000er erspähen.
Lakeside selbst wird dominiert durch Cafes, Restaurants und Bars. Hier hielten wir uns tagsüber auf und ließen uns treiben. Die meisten davon werden von ihren Besitzern gepachtet, oft versuchen hergezogene Familien so ihr Glück auf eine neue Zukunft. Doch der Weg dorthin gestaltet sich kostspielig und risikoreich. Der Tourismus lenkt die Existenzfähigkeit dieser Menschen und bestimmt ob sie gewinnen oder verlieren.
Hier lernten wir Narayan (35), zufriedener Ehemann von Laxmi (28) und Vater eines 10 jährigen Sohnes mit dem Namen James kennen. Er ist Besitzer des Europa Restaurants in Lakeside. Auf gerade einmal 3 mal 4 Quadratmeter stehen hier 4 Tische, die ständig ausgebucht sein müssten, um den geforderten Zins bezahlen zu können. Doch dieser Tage sind die Plätze die meiste Zeit leer, wie auch in jedem anderen Restaurant.
In der flying spirirt organic kitchen erfahren wir vom Besitzer und gleichzeitig dem Koch, „The epicenter oft the big earthquake in 2015 was in Gorkha. In Pokhara nothing was destroyed as you can see, but the people didn’t come in the last seasion and now also nobody is here.“
Vielerorts können wir die Gelassenheit der Menschen nicht ganz verstehen und bekommen wie von Narayan oft nur die Antwort:
„Money is coming, money is going, but love is like a river, it never stops“.
Wir sprachen mit ihm über Touristen, über Nepal und die Abhängigkeit, die zwischen diesen Beiden besteht. Er erzählte uns von den Bergen, von seinen persönlichen Herausforderungen und seinen Fehlschlägen. „I do everything, sometimes I am cook, sometimes I am trekking guide, sometimes I make music, and if it has to be I also drive sometimes taxi! It always depends which flow I am following“ gibt uns Narayan als Antwort.
Für uns formte sich nach ein paar Tagen Entspannung an diesem Ort ganz von selbst der Wunsch die Annapurna-Circuit Wanderung zu begehen. Wir wollten in unterschiedliche Landschaften eintauchen, mit verschiedenen Kulturen in Kontakt kommen und die Berge streifen, aber nicht unbedingt bezwingen.
Unsere Unterhaltungen hielten auch noch die Tage danach an und so formte sich daraus eine Sympathie. Gerade die war es auch, die uns dann dazu bewogen hat, gerade ihm die Frage zu stellen, ob er mit uns in die Berge wandern möchte, von ihm selbst wäre diese Frage wahrscheinlich nie gekommen. Und so begann er dann sogar zu Dritt, unser nächster Reiseabschnitt in die höheren Regionen des Himalaya.
1. Tag Der erste Eindruck
Pünktlich um 01.03.2016 um 7.00 Uhr machten wir uns gemeinsam mit Narayan auf den Weg nach Besisahar auf 820m Seehöhe, dem Ausgangspunkt unseres 12 tägigen Abenteuers. Sein Restaurant übernahm inzwischen seine Frau und ihre Schwester. Nach einer 8 stündigen Busfahrt mit kaputtem Fenster und einer offensichtlichen Überfüllung an Fahrgästen erreichten wir einen Ort, der offensichtlich mehr seiner Transferfunktion zugeschrieben ist als seiner sehenswerten Landschaften. Als wäre es von Narayan schon vorausgeplant gewesen, marschierten wir geradeaus durch das Getümmel an Menschen vorbei in ein kleines einheimisches Restaurant, wo schwarzer Tee und Dal Bhat uns die Kraft gaben, den restlichen Tag zu bestehen.
Wir sind noch voll von Gedanken der letzten Tage und Erwartungen an die bevorstehende Zeit, als wir uns in Richtung der Berge bewegten und erst mit Naras Satz begann langsam Ruhe in unseren Köpfen einzukehren:
„Now we have a life as a donkey“
In den ersten Stunden veränderte sich die Landschaft sehr wenig. Wir marschierten hauptsächlich an einer unbefestigten Strasse entlang, dessen Verkehr und damit verbundene Staub in der Luft unsere Wahrnehmung dominierten. Doch irgendwann begann sich die von Menschen gebaute Landschaft immer mehr aufzulösen und der Verkehr nahm ab. Wir erkannten, dass wir uns in ein Tal hinein bewegten, dessen tiefster Punkt der Fluss Marsyangdi Khola das umgebende Erscheinungsbild stark prägte. Die Landschaft über uns bildete Hügelketten und die zuvor als braun erkannten rechteckigen Felder verschmolzen zu unterschiedlichen in Grün-tönen schattierte Terrassierungen. Steil oben in den Hängen sah man vereinzelt Dörfer und verschiedene staatliche Entwicklungsprojekte säumen den Weg in die Zukunft. Gegen 15.00 Uhr erreichten wir den Ort Bulbhule auf 1310m, der sich an einem im Tal aufragenden Hügel anschmiegt und nach oben hin zunehmend mehr verdichtet. Auf schmalen aus stein gebauten Treppen steigen wir vorbei an Farmen, Guest- und Teahouses. An seiner Spitze befindet sich ein Guest House wo wir zur ersten Nacht unser Quartier bezogen. Wir trafen dort auf eine schon vor uns angekommene organisierte Reisegruppe von 11 Personen aus den vereinigten Staaten und einen Briten, der vorort ein Projekt mit Schulen zur digitalen Vermessung der Landschaft durchführte. Voll von Aufregung was diese Reise noch für uns bereithält, gingen wir später zu Bett und schliefen in einem Mischambiente aus Naturgeräuschen und sich auf den Wegen unterhaltenden Einheimischen ein.
2.-3. Tag Veränderungen
Der nächste Tag begann, wie wohl jetzt jeder Tag beginnen würde, mit einem ordentlichen Frühstück bestehend aus Eiern, Chapati oder Tibetan Bread und dazu wieder schwarzer Tee. Wir verließen das Dorf auf gegenüberliegender Seite des Hügels wieder in Richtung Tal und folgten im Laufe des Tages dem Wanderpfad weiter in Richtung taleinwärts. Der Tag verlief reibungslos. Wir nahmen Abstand vom Fluss und erhoben uns langsam in höhere Regionen, die zunehmend mehr zu Bergen heranwuchsen. Die Begeisterung des Wanderns steigerte sich durch die Abwechslung der Wege. Einmal gingen wir auf der Strasse, dann wieder auf ausgetretenen Wanderpfaden. Wir durchquerten einen Tunnel in völliger Dunkelheit begleitet von vorbeirasenden Jeeps und überquerten hin und wieder das tiefer werdende Tal über mit Stahlseilen gespannte Hängebrücken in schwindelerregenden Höhen. In steilen Passagen wurde uns das Gehen durch Steinstufen erleichtert und in engen Schluchten waren mit Dynamit horizontale Wege hineingesprengt worden.
Unser Eindruck einer landschaftlichen Idylle hielt sich noch in Grenzen, viel mehr dafür bekamen wir einen authentisches Bild der infrastrukturellen Entwicklung der Bergregionen zu sehen. In den letzten zehn Jahren wurde hier mit dem Bau einer befestigten Strasse begonnen, Wasserleitungen erleichtern die Wege Bewohner und ein umfassendes Stromnetz versorgt die Haushalte mit Energie. Man sieht, dass die Entwicklung hier noch lange nicht einem zeitgemäßen Standard entspricht, doch der momentane Stand der Dinge verspricht Erleichterung. Die einheimische Bevölkerung sieht diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Es ergeben sich viele neue Möglichkeiten, aber die Idee direkt mit dem Jeep nach Manang zu fahren und so den Anstieg in die höheren Annapurna Regionen zu verkürzen, hält die für die Einheimischen so essentielle Kundschaft fern, weshalb viele Teahouses wenig Umsatz machen und Unterkünfte oft tagelang leer stehen.
Unsere zweite Nacht verbringen wir in Chamche auf 1385m Höhe und die darauffolgende Dritte in Dharapani auf 1900m. Langsam bekommen wir ein Gefühl davon, welche unendlichen Weiten uns hier im Himalaya noch erwarten werden.
4. Tag Wandelbares Naturschauspiel
Am folgenden Tag wurde spürbar, dass sich die Landschaft mit jedem Kilometer einer Veränderung unterzieht. Die Vegetation wird härter, Laubwälder wechseln zu Nadelwälder und wir merken, dass in allem hier eine gewisse Widerstandskraft liegen muss, um überleben zu können.
Das erste Mal sehen wir ein Bergpanorama, wie es langsam zwischen den Hügeln hervorblickt. Der Anblick des Lamjung Himal mit seinen 6983m lies uns an die Werte Ehrfurcht und Respekt erinnern.
Der heutige Abend ist schon kühler. In Chame auf 2860m verbringen wir den restlichen Tag in der beheizten Küche eines Guesthouses. Es gehört einer Familie mit einer kleinen 2 jährigen Tochter. Der Vater erzählt uns, dass er im Wald oft Hirsche jagt und deswegen gerne bei Touristen nach Verbänden fragt. Diese Produkte sind in den Bergen oft sehr teuer, da alles mit Eseln hinauf transportiert werden muss. Auch eine der hier momentanen Hauptbeschäftigungen durften wir ausprobieren. Mit einem einfachen Hammer werden oft tagelang Steine zerkleinert, die zur Befestigung der Strasse benötigt werden. Was sich sehr einfach anhört, stellte sich für uns als sehr schwierig heraus, da jeder Schlag gezielt an der richtigen Stelle ansetzen muss, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen.
5. Tag Tibetische Wurzeln
Von Chame aus ging es weiter nach Upper Pisang. Dabei veränderte sich die Landschaft schlagartig. Der Himmel öffnete sich und die Sonne zeigte die Berge von ihrer schönsten Seite. Die Strasse liesen wir nun völlig hinter uns und der Wanderpfad schien uns einen schönen Weg in eine fremde Landschaft zu zeigen. Die Farbe der Bäume begannen im Sonnenlicht zu leuchten. Der Boden färbte sich in den herabgefallenen Nadeln der Bäume rot und unser Weg schien in leicht bläuliches Licht getaucht zu sein. Weit unter uns befand sich immer noch der Marsyangdi Khola, dessen weisse Brechungen des Wassers an den Felsen aus dieser Höhe eine schöne Geschichte zu erzählen schien.
Es wurde zunehmend steiler und auch schöner. Teilweise fühlten wir uns an verlassene Landschaften in Western-filmen erinnert. Irgendwann erreichten wir auch Upper Pisang auf 3310m. Der Ort ist aufgrund seines Höhenunterschiedes zweigeteilt und Lower Pisang kann nur im Tal über eine Hängebrücke erreicht werden. Upper Pisang ist gut 500 Jahre alt und besitzt einen genauso alten Tempel der immer noch kontinuierlich erweitert wird. Direkt unterhalb von ihm reihen sich kleine aneinander gedrängte Steinhütten, die anhand ihrer buddhistischen Verzierungen und Gebetsfahnen andeuten, welcher Kultur sie entspringen. Hier leben bisher nur tibetische Familien, die vor Jahrzehnten von Tibet aus aufbrachen, um hier in den Bergen Ihr neues Glück zu versuchen. Von hier aus hat man einen schönen Blick über das gesamte Tal und den Annapurna II mit seinen 7775m. Der Wind scheint hier nie aufzuhören, die Geräuschkulisse der flatternden Fahnen alltäglich zu sein. Raben lassen sich im Wind treiben, um danach im Sturzflug ins Tal hinabzuschiessen, als wären sie Paragleiter beim Flug ihres Lebens.
Aber das Leben hier ist hart. Die Winter sind furchtbar kalt, die Lebensmittel rar und das Klima launisch. Der Ernst des Lebens wird uns hier wieder bewusst, als wir in der Küche bei einem Gespräch mit Narayan erfahren, dass die Besitzerin, eine 60 jährige Frau, hier alles alleine instand halten muss. Während sie draußen eine halbe Stunde lang Holz hackt, um heizen zu können, beginnt Narayan zu kochen, um Zeit zu sparen. Die Aufgaben der Frau hier sind noch sehr traditionell verteilt und Holz ist ein wesentlicher Bestandteil des Kochrituals. Als nach Sonnenuntergang der Wind nachließ, begann es das erste Mal zu schneien.
6. – 7. Tag Weg nach Manang
Als wir am nächsten Tag den Fuß vor die Tür setzten, war es noch dunkel und die ganze Landschaft mit Schnee bedeckt. Am 6. Tag unserer Reise standen uns 16 km Fußmarsch nach Manang bevor. Für Frühstück war keine Zeit. Während wir uns von Upper Pisang hinaus warm liefen, brach langsam der Tag an. Wir wussten schon im Vorhinein, dass der heutige Tag etwas anstrengender werden wird und so begann es mit 2 Stunden steil bergauf in der landschaftlichen Atmosphäre des Vortages. Auf halber Höhe des Kammes spazierten wir danach mal durch Dörfer, mal durch Wälder, aber der Weg schien nicht enden zu wollen. Nach 5 Stunden erreichten wir Ngawal, wo wir das erste Mal Nahrung zu uns nahmen. Danach ging es den Tag so weiter, bis wir von Nara zu hören bekamen, das wir ins falsche Tal hinein marschieren. Ein paar Sekunden Überlegung und wir entschieden querfeldein unseren Weg zu finden. Auf einmal lag wieder Spannung in der Luft und die Landschaft begann richtig wild abseits der Wege zu werden. Wir bekamen Steinböcke zu sehen und hatten kurz das Gefühl auf uns allein gestellt zu sein.
Kurz vor Beginn eines starken Schneefalls erreichten wir schließlich die Touristenhochburg Manang auf 3500m. Von hier aus beginnt man in der Regel die unterschiedlichsten Touren in extreme Höhen und fordernde Bedingungen.
Zur Akklimatisierung legten wir hier einen Tag Pause ein, schlenderten durch die engen steinernen Gassen der Siedlung und spazierten gemütlich auf den Gangapurna Lake- Viewpoint, wo man einen atemberaubenden Blick auf das Bergpanorama der Annapurna hat.
Wie mächtige Herrscher thronen Annapurna II, Annapurna IV (7525m), Annapurna III (7555m) und der Gangapurna (7454m) über uns, während wir uns langsam Tag für Tag weiter zwischen sie hindurch bewegten, als würden wir um Einlass bitten.
8. Tag Eisige Kälte
Am Folgetag marschierten wir wie gewohnt weiter nach Lethar auf 4200m. Hier gibt es keine Straße mehr, und die Strecke ist dementsprechend steil. Der Anstieg dauerte 5 Stunden und zeigte erstmals, was es heißt, im Himalaya höher hinauf zu wollen. Die Baumgrenze liesen wir dabei hinter uns. Vorbei an Yak Kharka (4020m) waren andere Wanderer und Mauleseltransporte nun nurmehr das einzige das sich in der Landschaft bewegte. Gefrorenes Wasser bildete erstaunliche Eisskulpturen und bald erreichten wir Lethar oder Ledar oder Ledder oder wie auch immer dieser Ort heißen mag. Nahezu jede Bezeichnung schrieb sich anders, allzu oft war es aber auch nicht aufzufinden, da hier gerade mal drei Häuser standen.
In einem davon ließen wir uns nieder und versuchten in der Stube unsere Körper aufzuwärmen. Bald gesellten sich weitere Wanderer zu uns, stammend aus den unterschiedlichsten Teilen der Erde, und gemeinsam verbrachten wir ein paar nette Stunden beim wärmenden Schwedenofen. Dieser war wie viele hier in der Bergregion auf ein Podest aus handverstrichenem Lehm gestellt um die Wärme zu regulieren. Auch die Öfen in den Küchen werden ähnlich gebaut. Meist auf eine Holzkonstruktion zur Gewinnung der erforderlichen Höhe gestellt, befindet sich darauf ein zirka 1,5m langer Metall oder Holzkubus, der komplett mit Lehm verstrichen an einem Ende eine Öffnung zum Nachreichen von Brennholz hat und oben eine mit drei Löchern versehene Stellfläche zeigt. Dort werden Töpfe erwärmt und Essen zubereitet. Wurde ein Topf genug erwärmt, stellt man ihn auf den Lehm und erhält so die Wärme für einen längeren Zeitraum. Da der Lehm sich schnell abnutzt wird er täglich von Hand mit Wasser neu verstrichen. Die newarische Küche ist unglaublich kompliziert zuzubereiten. Es gleicht einem Kunststück, welche Delikatessen die Menschen uns hier unter diesen Bedingungen servieren.
Wir hatten diesen Abend das erste Mal das Gefühl, auf einer richtigen Berghütte zu sein.
9. Tag Spürbare Höhe
Obwohl in verschiedenen Reiseführern aufgrund des großen Höhenunterschiedes davon abgeraten wird, war unser nächstes Ziel das Thorung High Camp auf 4950m. Für die gerade einmal 6km lange Strecke brauchten wir ganze 5 Stunden. Um den Weg möglichst angenehm zu verbringen, schlossen wir uns mit anderen Wanderern zusammen. Im schwierigsten Abschnitt der ganzen Tour machte sich auch langsam die Höhe bemerkbar. Diese Erfahrung erscheint uns wie eine Pilgerreise, wo schwere Lasten auf sich genommen werden und verschiedene Zustände und Erfahrungen in einer Meditation zu verschmelzen scheinen. Umso mehr Höhenmeter wir zurücklegen, desto klarer und langsamer werden unsere Gedanken. Die Erinnerung an unsere Heimat erscheint uns weniger sentimental in diesen Tagen und wie auch viele erlebte Momente des Beginns unserer Reise. Viel mehr schaffen wir es nun im gegenwärtigen Moment zu leben. Mit jeden Tag mehr begreifen wir, dass Lachen einer der wichtigsten Bestandteile des Lebens ist. Narayan zeigte uns dies mit jeden Tag aufs Neue. Teilweise haben wir stundenlang gelacht, gesungen und uns über einander lustig gemacht. Mit ihm gemeinsam zu gehen macht den langen Weg gewiss etwas leichter!
Im Thorung Pedi Camp machten wir Rast und genossen unsere mittlerweile geliebte Knoblauchsuppe zur Gewöhnung des Körpers an die Höhe. Viele Wanderer ließen sich hier auf 4600m nieder, um besseren Schlaf zu finden und am nächsten Tag früher wegzumarschieren und das Ziel, den Thorung La Pass auf 5420m Höhe zu erreichen.
Wir riskierten den Sprung ins High Camp, um den steilsten Abschnitt des Weges hinter uns zu wissen und am Folgetag somit eine kürzere Strecke zurücklegen zu müssen. Längst hatten wir uns auf die Höhe erhoben, wo die ganze Pracht der Berge sichtbar wurde. Mit der Sonne im Rücken und der Kälte in unseren Zehen erreichten wir mit einem leichten Druck am Hinterkopf unser Ziel. Geplagt durch leichte Benommenheit und Kurzatmigkeit verbrachten wir den restlichen Tag damit uns zu beschäftigen und warm zu halten. Die Temperatur war mittlerweile weit unter dem Gefrierpunkt und die Wärme des Ofens reduzierte sich mangels Brennmaterial lediglich auf einen kleinen Radius von 4 Metern.
Als es am Abend zu schneien begann, wurden die ersten Pläne geschmiedet. Wenn das Wetter die ganze Nacht anhält, würde es am nächsten Morgen einen halben Meter Schnee geben. Der Pfad wäre nicht sichtbar und die Bedingungen würden den Aufstieg erheblich erschweren. Als wäre Teamwork unser höchstes Gebot, wurden die Aufbruchszeit und mögliche Risikofaktoren mit Allen Anwesenden abgestimmt, damit am folgenden Tag alle möglichst unbeschwert den Pass erreichen.
10. – 12. Tag Passüberquerung
Als wir aufbrachen, war es 4 Uhr morgens. Obwohl uns in diesem Moment die Kälte schwer zusetzte, war das Glück auf unserer Seite. Die Sternbilder leuchteten so klar wie niemals zuvor, von Wolken war aber keine Spur zu sehen. Gerade einmal 20cm bedeckten den eisigen Untergrund vor unserem Camp. In der ersten Hälfte der Nacht zog der Himmel wieder auf und erleichterte uns damit erheblich vorwärts zu kommen. Schritt für Schritt setzten wir uns in Bewegung und leuchteten uns mit Stirnlampen unseren Weg. Mit jeder Minute kam der Tag näher. Leichte Konturen der umliegenden Gipfel wurden sichtbar. Dann erkannten wir langsam die Texturen umliegender Felswände, bis zuletzt die Sonne ihre ersten Strahlen über die Berge schickte und der Tag anbrach. Obwohl das Naturschauspiel gigantischer nicht hätte sein können, wurde das Gehen ab 5000m zur richtigen Herausforderung. Schwindelgefühle, stärker werdende Kopfschmerzen und Müdigkeit setzten ein, aber an Umkehr wurde kein Gedanke verloren. Bekannt als der weltweit weiteste Pass der Erde machte er seinem Namen alle Ehre. Hinter jeder Anhöhe verbarg sich eine Neue. 5 Stunden später erkannten wir plötzlich eine steinerne Hütte und daneben ein großes schwarzes Schild mit gelber von Hand gemalter Schrift worauf stand:
„Congratulation for the success!!! Hope you enjoyed the trek in manang“.
Wir waren angekommen. Augenblicklich lösten sich die Anspannungen und von Freude überwältigt stiegen Tränen in die Augen. Nach zehn Tagen Wanderung hatten wir unser höchstes Ziel erreicht und nun schien eine Welle von Euphorie und Erleichterung nicht enden zu wollen. Ständig kamen neue Wanderer an und in jedem Gesicht konnten wir denselben Ausdruck von Stolz und Zufriedenheit finden, wie wir ihn selbst erleben durften.
Jetzt war nur noch der Abstieg in den Ort Muktinath auf 3500m vor uns und von nun an wirkte alles viel leichter als zuvor. Hinter den nächsten paar Anhöhen entfaltete sich die Landschaft von Neuem unter uns, doch es war nicht die Gleiche. Weder Vegetation noch der bisher erlebte Reichtum an Wasservorräten füllten unseren Blick ins Kali Gandaki Tal, dafür Sanddünen und karge braune Felsenlandschaften. Der Beginn von Mustang, eine der letzten traditionell tibetisch lebenden Gegenden des Himalaya öffnete uns seine Pforten. Mystisch und verborgen wirkte sein Antlitz. Muktinath selbst ist bemerkenswerterweise sowohl buddhistischer als auch hinduistischer Wallfahrtsort. Sein größtes Heiligtum, die Tempelanlage Ranipauwa mit dem Shivatempel, wird schon seit 3000 Jahren als Ziel vieler Pilgerreisen gewählt. Herum erstreckt sich ein weitläufiger Park mit weiteren Schreinen. Muktinath selbst ist weitaus weniger spannend, der sowohl nationale als auch internationale Tourismus lies hier große Hotels entstehen und Traditionelles verschwinden. Ermüdet von den Anstrengungen des Tages übernachteten wir hier und machten uns am nächsten Tag auf nach Jomsom auf 2743m. Eine Straße führt uns an der auf einem Hügel errichteten Stadt Jahrkot vorbei, die einst durch eine große Wehranlage im Königreich Mustang entstanden ist, und bewegt sich in großen geschwungenen Serpentinen weiter, bis wir unten im Tal ankommend, ein ausgeschwemmtes Flussbett erreichen, an dem wir bei der Siedlung Kagbeni vorbei entlang bis nach Jomsom wanderten.
Erschöpft von den letzten Tagen machten wir uns von hier an mit einen Microbus auf die Weiterreise in den Ort Ghasa. Wenn auch etwas schneller, erschien uns diese Art der Fortbewegung auf der holprigen einspurigen Strasse etwas gefährlicher und vor allem unbequemer, dafür aber auch als spannende Abwechslung. Ein kaputter Dreieckslenker führte zu einer Wartezeit von einer halben Stunde und vervollständigte das Erlebnis, welches mal in schwindelerregenden Höhen und dann wieder im Flussbett selbst verlief. Langsam entstand in uns das Gefühl dem Ort unserer Sehnsucht Pokhara nach diesen langen Tagen wieder näher zu kommen und am nächsten Tag gegen 15 Uhr kamen wir schließlich wieder im Europa Restaurant an. Narayan schaute uns beide an und meinte mit einem Lachen im Gesicht:
„You are a crazy couple. In the last seven years i never passed the thorung la with a such great weather like that we had some days ago. I love you, now you are friends, not customers.“
2 Comments
Hallo Ihr zwei Einzigartigen
Welch grenzgeniale Fotos und Erfahrungen an die ihr uns alle teilhaben laesst. Damit verkuerzt sich die raeumlich Distanz enorm.
Ich bin soooooooooooo stolz auf Euch, unfassbar you did it.. you made it to the very very top .. Mit den besten Spirits und Helfer im Gepaeck von all Euren Lieben daheim and around the globe!!!
Und wir alle halten weiter den Schutzraum aufrecht fuer all die naechsten Erfahrungen, die noch folgendes werden!!
Knuddelhugs Umarmung
Mum/Silvia
Hallo Cori,
bin schwer beeindruckt.
Wenn schon eure Bilder und Texte so einen Eindruck hinterlassen,
wie toll muss es dann sein, das wirklich zu erleben!
Ich freu mich schon auf den nächsten Bericht!
Liebe Grüße und weiterhin gute Reise
Peter