Schon von der Küste aus sind sie zu sehen, vor allem zur Dämmerung, wenn die Sonne das Firmament streift und die hügelige Landschaft in unterschiedlich färbige Ebenen taucht. Wir waren noch müde von der Reiseanstrengung des Vortages als unsere Aufmerksamkeit langsam durch das serpentinenhafte Vorwärtskommen des Buses geweckt wurde. Die weiten Ebenen des Uda Walawe Nationalparks hinter uns gelassen, befanden wir uns nun das erste Mal im Hochland Sri Lankas.
Während solchen Transportwegen haben wir viel Zeit um Erlebnisse zu verarbeiten und uns erlebte Situationen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Um der dröhnenden Bollywood Musik zu entfliehen sitzen wir meist mit unserer eigenen Musik im Ohr nebeneinander und versuchen die Hitze wie auch die vielen Menschen um uns herum zu vergessen. Die eigenen Gedanken schweifen dann gerne auch nach Österreich, wo wir überlegen wie wohl das Leben dort gerade für unsere Freunde und Familien so ist. Manchmal geht das solange weiter, bis ein abrupter Bremsvorgang uns zurück ins Geschehen holt und zum Aussteigen motiviert.
Drei Orte im Hochland
Unser Weg führte uns nun nach Ella, ein verträumtes und wunderschönes Bergdorf am südöstlichen Ende der Berge. In dieser malerischen Landschaft wachsen auf den Hügeln schimmernde Teeplantagen, schwindelerregende Aussichtspunkte verleiten zu stundenlangen Blicken in die Ebene hinunter und im Hinterland halten kleine Dörfer die unterschiedlichsten Sensationen bereit. In einem alten britischen kolonialen Gästehaus haben wir dort unser neues Zimmer bezogen. Der Raum war der Größte, indem wir auf unserer bisherigen Reise wohnen durften, die Deckenhöhe von geschätzten 4 Metern vermittelte uns ein Gefühl von Freiheit. Die britische Kolonialzeit hat hier viel hinterlassen, nicht zuletzt die vielen unterschiedlichen Möbel dieser Zeit deuten auf eine interessante Vergangenheit hin.
Um von der Weite Sri Lankas eine Vorstellung zu bekommen, machten wir uns am nächsten Morgen auf zum Aussichtspunkt Little Adam’s Peak. Wir schlenderten durch grüne Teeplantagen, hatten Spaß mit Einheimischen und staunten nicht schlecht als wir schlussendlich das letzte steile Stück vor uns sahen. Als würde der Gipfel hier am Ende der Berge noch einmal beweisen wollen was er kann, bot er uns oben angekommen ein spektakuläres Panorama über mehrere hunderte Kilometer Entfernung. Von der Pracht der Teeplantagen beeindruckt gingen wir weiter und beschlossen eine Teefabrik zu besuchen. Schon beim Eingang kam uns der Geruch von frisch gepflücktem Tee entgegen und wir freuten uns kurzfristig eine Führung durch den Herstellungsprozess von Finlay’s Fair Trade Grüntee zu bekommen.
Was wir bisher nicht wussten ist, dass Schwarz- und Grüntee vom gleichen Blatt abstammen. Der Produktionsprozess ist ziemlich einfach und besteht hauptsächlich aus Trocknen, Zerkleinern und Sieben. Beim Schwarztee kommt noch der Schritt des Rollens am Beginn der Produktionskette hinzu wie auch die Fermentierung, wo der fertige Tee als Granulat einem Oxidationsprozess für 3 Stunden ausgesetzt wird. Weißer Tee stammt zwar von derselben Pflanze, doch werden jüngere Blätter abgeerntet und der Prozess anschließend besteht lediglich aus reinem Trocknen in der Sonne.
Mit einer kleinen Kostprobe ging es weiter zur legendären Nine Arch Bridge, welche auch als »the bridge in the sky« genannt wird. Sie gilt als eine der bedeutendsten Brücken in Sri Lanka und zeigt sehr schön welchen Flair die Eisenbahn in diesem Land ausstrahlt. Leider hatten wir den Zug gerade verpasst. Erschöpft vom vielen Gehen blieben wir auf einem kleinen Aussichtspunkt sitzen und beschlossen einfach zu warten um das populäre Fotomotiv selbst zu sehen. Noch nie zuvor haben wir solange auf ein Motiv gewartet. Durch unsere Art zu Reisen wird Zeit relativ und es störte uns nicht. Wir fanden zu innerer Ruhe und als der Moment 2,5 Stunden später kam, hörten wir das Horn der Lokomotive.
Es wurde zwar nicht zum Motiv unseres Lebens, aber möglicherweise eine der lehrreichsten Situationen.
Bald danach reisten wir weiter nach Haputale. Dort angekommen am Bahnhof wollten wir schon fast weiter ziehen, da es sich als anstrengend und schwierig herausstellte, eine Unterkunft zu finden. Schon bereits am Weg zurück zum Bahnhof meinte ein neben uns stehen bleibender Tuk Tuk Fahrer, dass er in seinem Haus ein Zimmer frei hat. Mit schlechter Laune erreichten wir schlussendlich das kleine Haus an einer ruhigen Anhöhe und sofort verflog unser Ärger und wir nahmen Platz am gemütlichen Familientisch. Neben uns wohnte der begeisterte Surfer namens Lachlan aus Australien. Abends wurden wir mit vielen leckeren traditionellen Speisen verwöhnt und lauschten Lachlans Surfgeschichten und seinem prägenden Erlebnis mit Haien.
Früh morgens als es noch dunkel war, brachte uns der Besitzer mit seinem Tuk Tuk hinauf in die Nähe des sogenannten Lipton’s Seat. Wie der Name schon verrät sind hier die mächtigen Tee Plantagen zu sehen, die später zu Lipton Tee verarbeitet werden. Wie uns viele Bilder und Geschichten schon zuvor erzählten, soll hier der Sonnenaufgang unbeschreiblich schön sein.
Ganz so war es dann leider nicht. Während der Fahrt wurden wir von immer wieder plötzlich auftretenden Nebelschwaden begleitet und das letzte Stück kämpften wir uns zu Fuß mit starkem Gegenwind hinauf. Der Weg wurde etwas leichter als uns ein verspielter Hund hinauf begleitete und immer wieder für Ablenkung sorgte. Oben angekommen lag die unglaubliche Aussicht im dichten Nebel verborgen und mit zitternden kalten Fingern teilten wir unsere mitgebrachten Sandwiches gemeinsam mit unserem haarigen Freund Lipton. Vielleicht haben wir bereits genug Sonnenaufgänge gesehen dachten wir still vor uns hin und machten uns auf den Rückweg. Nun kam langsam zwischen den dichten Nebelschwaden und dunklen Wolken die Sonne hervor. Das sekundenschnelle wechselnde Schauspiel zwischen Licht und Schatten lies uns in den Gedanken ans Ende der Welt denken und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Diese Stimmung war schlussendlich viel eindrucksvoller als die von uns erhoffte. Diese Eindrücke verschafften uns Mut und wir machten uns trotz des schlechten Wetters zu Fuß auf den Weg in Richtung Unterkunft.
So wanderten wir durch die Teeplantagen, trafen grüßende Kinder am Weg zur Schule, schlenderten vorbei an kleinen Dörfern und folgten Einheimischen kleinen Pfaden entlang durch das Tee-Labyrinth hinab zum nächstgrößeren Dorf. Lächelnde Teepflückerinnen kreuzten unseren Weg unterwegs zu den Feldern. In ihren leuchtenden Saris trugen sie große, noch leere Säcke auf ihrem Rücken. Anhand ihrer Füße und Hände bemerkten wir, welch schwere Arbeit sie verrichten. Die Insel, die bis 1972 noch Ceylon hieß, gehört neben Kenia, China und Indien zu den größten Tee- Exporteuren der Welt. Ursprünglich war Tee nur ein Ersatz für die Kaffeepflanzen, welche von einer Seuche zerstört wurden. Damals wurden billige Arbeitskräfte aus dem Süden von Indien auf die Plantagen ins Hochland gebracht. Die sogenannten Hochlandtamilen leben meist am Rande der Felder in einfachen Blechhütten. Nach einem harten Tag am Feld, meist sieben Tage die Woche, werden die gepflügten Blätter in der Fabrik gewogen, und nach dem Prinzip der Akkordarbeit an die Pflücker ausbezahlt. Pro Tag verdienen sie umgerechnet nicht einmal 3 Euro. Ihre größten Sorgen sind meist ihre Kinder, die sie in die Schule schicken und ihnen eine bessere Zukunft bieten wollen. Die kleinen autarken Dörfer in Mitten der Teeplantagen wirkten auf uns trotz der Umstände sehr friedlich und harmonisch. Beeindruckend mit welchem Lächeln im Gesicht sie ihr Leben meistern!
Einen Tag später stiegen wir wie zuvor wieder in den Zug und reisten in die Hauptstadt des ehemaligen singhalesischen Königreiches. Die langsame Reisegeschwindigkeit und offenen Türen und Fenstern machten diese Art der Fortbewegung für uns zu einem der Highlights von Sri Lanka. Überall wo man hinkommt beobachten Menschen den vorbeifahrenden Zug und winken den Passagieren. Auch wenn der technische Stand, der von vor 50 Jahren ist, hat diese Art der Fortbewegung für die Menschen hier einen sentimentalen Wert. Die Schienen werden zusätzlich als Gehweg verwendet und erschließen so manchmal oft schwer zugängliche Seitentäler. Die Landschaft während der Fahrt ist atemberaubend, wechselnde Blickbeziehungen zwischen Nah und Fern werden zum intensiven Erlebnis. Fast gleitende Übergänge zwischen unterschiedlichen Landschaftssettings werden durch das langsame Dahintuckern der Bahn geschaffen. Fühlte man sich gerade noch in einem Urwald, wo Palmen, Bananenstauden und übergroße Farne ein Bild von einem Märchen schaffen, kann es dennoch sein, dass man im nächsten Moment einen Felshang kreuzt und die Landschaft bis zum Horizont betrachtet.
Kandy liegt im Herzen der Insel und ist ein wichtiger touristischer Ausgangspunkt für viele Tagesausflüge. Überall herrscht hektisches Treiben und Verkehrslärm dominiert die Geräuschkulisse. Der Kandy See als zentraler Orientierungspunkt der Stadt verschafft ein wenig Ausgleich. Er wurde vom letzten König Sri Lankas künstlich angelegt, um dem berühmten Sri Dalada Maligawa Tempel noch mehr Schönheit zu verleihen. Der sogenannte Zahntempel gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und viele Pilger kommen von weither um dem Zahn seine Ehrerbietung zu bringen. Die Legende besagt, dass sich im goldenen Schrein hinter verschlossenen Türen im Tempel, der linke Eckzahn von Buddha aus dem 4. Jahrhundert befindet. Hinter dem Tempel liegt das Museum of World Buddhism, welches wir unbedingt jedem ans Herz legen möchten, der vorhat nach Kandy zu reisen. Man hat hier die einmalige Gelegenheit alle unterschiedlichen buddhistischen Nationen der Welt übersichtlich und interessant aufgearbeitet vorzufinden. Bemerkenswert dabei ist, dass jedes Land seinen Ausstellungsbereich selbst gestaltet haben dürfte, um der eigenen Vorstellung von Religion und dessen Integration am besten nach zu kommen.
Drei kulturelle Sehenswürdigkeiten
Auf den kulturellen Geschmack gekommen, versuchten wir unseren letzten Tage hier in Sri Lanka noch mehr Tiefe zu verleihen und mieteten uns für den nächsten Tag ein Tuk Tuk und unternahmen einen Tagesausflug zu den heiligen Stätten von Sigiriya, Polonnaruwa und Dambulla. Voll von Euphorie stiegen wir mit einem halboffenen Auge um sechs Uhr morgens ins Fahrzeug und machten uns auf den Weg nach Sigiriya, welches frühmorgens am Schönsten sein soll. Schon von Weitem erkennbar steht der Felsenmonotlith, worauf sich die Ruinen einer historischen Felsenfestung befinden umgeben von einer Dschungel-Landschaft. Der Name leitet sich von ‚Siha Giri‘ ab, was Löwenfelsen bedeutet. Das Treppenportal wird durch zwei überdimensionalen Löwenpfoten inszeniert. Oben angekommen sieht man zwar nur mehr die Fundamente einstiger Architektur angedeutet, doch das Gefühl was es bedeutet haben muss, hier eine Festung zu besitzen, muss grandios gewesen sein.
Danach ging es weiter nach Polonnaruwa, wo wir uns eigentlich nur die handwerklich perfekt ausgeführten in Granit gemeißelten Buddha Statuen von Gal Vihara ansehen wollten. Wir staunten aber nicht schlecht, als wir dann eine riesige Stadt mit unzähligen Stupas und alten Stadtteilen vorgefunden haben.
Unser letzter Besuch war in Dambulla. Dort stiegen wir die Hügel empor zu den Tempelanlagen von Dambulla, auch als Goldener Tempel bezeichnet. Unter einem enormen Felsvorsprung wurde hier ein Tempel geschaffen, dessen Ursprünge auf das 3. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen. Die Malereien in den einzelnen Räumen beschreiben das Leben Buddhas. Am späten Nachmittag erreichten wir diesen tollen Ort, es war anscheinend die optimale Zeit für den Besuch. In der Ruhe der Landschaft konnten wir fast völlig alleine den Tag hier ausklingen lassen, bevor wir uns auf den langen Weg zurück nach Kandy machten.
Nach vier abwechslungsreichen Wochen spürten wir, dass es Zeit wird weiter zu reisen. Das tägliche Verhandeln und Ablehnen von klassischen Touristenaktivitäten sowie die durchdringenden Blicke der Einheimischen waren nach der Zeit anstrengend und nicht dass, was wir suchten. Die Insel mit seiner mystischen Aura wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.
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