Tag 1
Völlig aufgeregt standen wir beide am Ufer und blickten dem anbahnenden schlechten Wetter entgegen. Neben uns standen vier Männer und eine Frau und diskutierten miteinander. Sie schienen wegen dem Wetter etwas aufgebracht zu sein, dachten aber nicht im Geringsten daran, uns in ihr Gespräch miteinzubeziehen. Schließlich drückten sie plötzlich jedem von uns, damit meine ich auch die drei Holländer Tim, Jens und Martjin, einen schwarzen großen Plastiksack in die Hand und meinten, wir sollten unsere Rucksäcke gut verpacken. Während wir fünf das taten, begannen drei der Männer jede Menge Ladung über den Strand zu schleppen bis zum 300 Meter entfernten Boot „Linapacan“. Es war gerade Ebbe und so war es nötig den Weg dorthin zu Fuß zurückzulegen, anstatt das traditionelle Bangka-Boot näher an uns heranzufahren.
Die drei Männer waren Teil unserer Mannschaft. Der ältere von ihnen hieß Carlo und war der Kapitän des Schiffes, wenn auch nur auf offizieller Seite und außerdem war er Eigentümer des Bootes. Neben ihm an der Seite gab es Bising, der gerade als neuer Kapitän angelernt wurde und im Nachhinein auch die meiste Zeit das Boot manövrierte. Als dritter Mann stand Gringo uns für jegliche Art der Hilfestellung zur Seite. Er erledigte alle Vorbereitungen auf dem Boot wie vertäuen, verstauen und versorgen, checkte die Wetterlagen und half wo er konnte.
Mit gemischten Gefühlen wateten wir Schritt für Schritt mit unseren geliebten Habseligkeiten hinter ihnen durchs Wasser bis wir knietief das Boot erreichten. Der ein oder andere Gedanke dabei galt zu dem Zeitpunkt noch unseren Notebooks und anderen elektronischen Geräten. Mit einem Ruck hoben wir die hölzernen Klappen hoch zum unteren Ladungsraum und verstauten alles so gut wir konnten. „Wie sollte das alles nur je trocken bleiben während der nächsten drei Tage?“ dachten wir in uns hinein.
Danach ging alles recht schnell und wir hatten noch kaum einen Sitzplatz gefunden, da wurde von Lyka schon der Befehl zum Lichten des Ankers gegeben. Als würde alles wie jahrelange Routine von Händen gehen, sprang Gringo zum Bug des Rumpfes und fixierte mit ein paar eindeutigen Handgriffen Seil und Anker an den dafür vorgesehenen Positionen. Der Motor lief an und das Boot setzte sich langsam in Bewegung. Inzwischen machten wir es uns gemütlich, soweit wir konnten, denn der Wellengang schaukelte uns hin und her. Eine Begegnung mit dem kühlen Nass der Meere schien unausweichlich zu sein. Obwohl eine Bangka ein Rumpfboot mit zwei seitlichen Auslegern ist und sich dadurch weitaus mehr Stabilität in tieferen wilderen Gewässern erreichen lässt, bekamen wir zum ersten Mal ein Gefühl davon, was es heißt der Gewalt der Meere ausgesetzt zu sein. Schließlich war nach einiger Zeit im Umkreis kein Flecken Land mehr, wo wir Halt finden konnten. Wir spürten eine ungeheure unkontrollierbare Kraft, die über jeden und alles erhaben zu sein schien. Eine Kraft, die den Schiffsverkehr zum Erliegen bringen kann und im schlimmsten Fall ganze Inseln vom Rest der Welt unerreichbar werden lässt.
Inzwischen erzählte uns Lyka, welche gemeinsam mit ihrem Partner Ryan unsere Expedition zur Küstenstadt Coron organisierte, was auf dem Tagesprogramm stand und wie die Prognosen für das Wetter der nächsten Tage waren. Als wir den teils schlechten und teils guten Nachrichten so lauschten wurde uns fünf klar, dass wir nichts dergleichen schon einmal erlebt hatten und es begann sich Abenteuerlust in uns breit zu machen. Auf einer Fläche die so groß war wie die meisten Hotelzimmer in den Philippinen, fuhren wir nun zu zehnt hinaus aufs offene Meer hinaus auf der Suche nach einsamen Inseln, unberührten Riffen und romantischen Lagunen.
Die ersten Stunden waren rau. Wind und Regen machten uns zu schaffen und formten hohe Wellen, die ein Weiterkommen erschwerten. Wir lernten wie sensibel der Kapitän mit der Geschwindigkeit des Bootes umgehen muss, wenn er eine anbahnende Welle ansteuert und welche Rolle der Einschlagwinkel dabei spielt. Des Öfteren spritzten uns meterhohe Fontänen entgegen und durchnässten auch noch den letzten Winkel des Bootes. Wir kannten es bisher nur aus Filmen, wie Wasser übers Deck geschwemmt wird und Ladung von einer Ecke in die andere schleudert. Doch in diesen Momenten war es plötzlich echt.
Irgendwann wurde es lichter und der Himmel zeigte die ersten Sonnenstrahlen. Es legte sich langsam der Wind und wir klappten die Faltdächer zum Sonnenschutz aus. Das Wetter schlug um und die Expedition ließ sich von einer völlig neuen Seite zeigen. So kamen auch wir herausgekrochen und erforschten erstmals was es heißt, auf einem so kleinen Boot spazieren zu gehen. Die Ausleger eigneten sich perfekt, um darauf herum zu klettern und den darunter vorbeischießenden Gewässern zu zusehen. Wir erreichten die Inselgruppe Linapacan, nach denen das Boot benannt wurde und steuerten die ersten Strände an. Der Anker wurde endlich fallen gelassen und das Erkunden von Inseln und Meeresböden konnte beginnen. Wir steuerten während des ersten Tages noch etliche Inseln an. Jedes Mal war die Sicht unter Wasser unglaublich und der Reichtum an Fischen faszinierend. Gringo unterhielt uns durch seine Spaziergänge am Meeresboden auf 4 Meter Tiefe und Ryan zauberte uns leckere Mahlzeiten. Zwischendurch besuchten wir kleinere Dörfer und spazierten auf Aussichtspunkte. Das Gefühl ununterbrochener Bewegung des Wassers wurde immer vertrauter und am Ende des Tages bemerkten wir den Wellengang des Boots fast nicht mehr.
Völlig entspannt erreichten wir schließlich eine kleine Bucht. Unser Boot war zu klein, um darauf übernachten zu können, doch gegen eine Nacht in einem Zeltlager mit angenehmen Zusammensitzen am Feuer hatten wir auch nichts einzuwenden. So brachten wir mit dem Kajak vom Boot aus alles an Land und richteten uns für die nächste Nacht ein. Die Insel gehört einer Familie, die hier ihr Land zur Verfügung stellt, damit Expeditionen ein Quartier haben. So einsam wie sie hier leben, so unabhängig sind sie auch vom Rest der Welt. Eigenes Vieh und Agrarbewirtschaftung bis hin zu Obstbäumen beschafft ihnen alles was sie zum täglichen Leben brauchen. Wir mochten den Ort. Am Abend wurde es unglaublich still und dunkel. Nur der Meereswind pfiff durch die Blätter der Palmen und hie und da fiel etwas von den Bäumen.
Tag 2
Am nächsten Morgen starteten wir mit einem Hahn im Ohr, der uns erzählte, dass es schon reichlich spät ist und der Tag doch so viel zu bieten hat. Vielleicht war es aber auch nur die Stimme in Manuels Kopf als er vor allen anderen schon aufsprang und zum Frühstück jedem eine frische Kokosnuss pflügte ohne irgendwelche Kenntnisse, ob sie reif waren oder nicht. Sie waren trotzdem süß, fruchtig und voll gefüllt. So wie sie sein müssen. Danach bekamen wir dann auch die Einführung wie man erkennt, ob es eine gute Kokosnuss ist oder nicht. Unter allen Versuchen gilt wohl Schütteln noch immer als die beste Methode. Hört man eine Flüssigkeit im Inneren, stehen die Chancen sehr gut.
Am zweiten Tag führte unsere Route uns auf die andere Seite von Linapacan. Wir besuchten bei den umliegenden Inseln einsame Felsklippen mit spektakulären Höhlen und schnorchelten durch intakte paradiesische Riffe. Wir sahen Clownfische, wie sie sich zum Schutz an Anemonen schmiegten, ganze Meeresböden voll mit Seesternen umgeben von im wasserstehenden Mangrovenwäldern und entdeckten unter Wasser steilabfallende Felsvorsprünge, bei denen man einzig in die Dunkelheit hinunterblickte. Wir ließen uns mit der Strömung über die Riffe unter Wasser zurück zum Boot treiben und freundeten uns erneut mit Kurkuri-Rum an. Das Wetter war auf unserer Seite und die Sonne strahlte während sie über den Himmel wanderte. Kurz bevor sie den Horizont erreichte, liefen wir im Hafen eines Küstendorfes ein, wo wir die nächste Nacht verbrachten. Der Großteil unserer Mannschaft stammte von dort ab, wodurch wir einen tollen Einblick in die einheimischen Lebensbedingungen bekamen. Vor allem die ungeheure Anzahl an Kinder fiel uns auf. Als Antwort bekamen wir darauf nur ein Lächeln und gesagt: „Es gibt halt nicht viel zu tun auf dieser Insel“. Wir hatten riesigen Spaß mit ihnen und merkten, dass sie selten Touristen zu Gesicht bekommen.
Die meisten Häuser waren einfache handgesägte Pfahlbauten aus Holzbalken beplankt mit Brettern. Dazwischen gab es ein paar mehrstöckige Ziegelbauten. In einem davon bezogen wir auf einem freien Balkon Quartier, wo wir in Hängematten und Matratzen einen tollen Ausblick über die ganze Umgebung hatten. Wir lernten die Familien von Gringo, Carlo und Bising kennen und durften mit ihnen am Abend auch gleich Karaoke singen, wie es auf den Philippinen üblich ist. Carlo wird uns dadurch ewig in Erinnerung bleiben. Wir fragen uns heute noch, wie ein Mensch es fertig bringen kann so viele Songs auf Englisch perfekt zu singen, ohne auch nur ein Wort zu verstehen.
Tag 3
Der nächste und letzte Tag war gekennzeichnet durch die Größe der Meere. Von Linapacan nach Coron war es ein weiter Weg, der zurückgelegt werden musste. Obwohl sich etwa 90 Kilometer nicht sehr viel anhören, merkten wir schnell, was es heißt diese Strecke auf einem kleinen Boot am offenen Meer zurückzulegen. Des Öfteren kreuzten wir tiefe Gewässer zwischen Inseln wodurch sich Schneisen in den offenen Ozean hinaus öffneten und heftige Winde mit sich brachten. Als nach etlichen Stunden unsere Kräfte schon schließlich von der andauernden Schaukelei nach ließen kam unser Ziel langsam in Sicht. Zuerst tauchte Coron Island vor uns auf und türmte sich hoch wie eine riesige Wand aus Kalkstein. Beindruckend sah sie aus, so völlig unberührt von Leben und nur sehr rar übersäht mit Vegetation. Langsam wurden dann auch die Zeichen der Zivilisation wieder sichtbar. Wir kreuzten erste Hotelanlagen, trafen kleine Fischerboote, und sahen aus der Ferne die ersten Gebäudekomplexe der Stadt vor uns. Und dann waren wir angekommen.
„Wir sind zwei Menschen aus einem Binnenland. Noch nie zuvor haben wir mehrere Tage derart intensiv im Einklang mit Wasser gelebt. Auch hatten wir bisher keine Ahnung darüber, was es bedeutet, in einer Region der Erde zu leben, wo Wasser ein zentraler Baustein von allem zu sein scheint. Am aller meisten hat uns diese Expedition gezeigt, wie ein Bewusstsein über die Größe und Wichtigkeit der Meere sich anfühlen kann. Alles befindet sich hier ständig in Bewegung und ständig muss man auf aufmerksam bleiben. Die Gezeiten ändern sich wie der Wechsel von Tag und Nacht. Das Wetter scheint unabdingbar seinen Willen durchzusetzen und welch Leben in den blauen Weiten wirklich vorhanden ist, merkt man manchmal erst wenn man den ersten Fuß auf den Boden einer Stadt setzt“.
2 Comments
this was a awesome experience with you guys! really Enjoined. I love your story so nice and good memories.
have a good time!!!
hope to see you again
Ha Ha, it’s so nice to hear something from you Tim. It was one of our best parts in the Philippines. We had so much fun during this exciting trip. We will never forget, how the trip started. There was so much rain everywhere and Jens just took a seat in the front of the boat and tried to show us how brave he is. Hope you guys enjoying your life back home.