Nachdem wir die Westküste verlassen hatten, wurde unsere Lust auf die landschaftliche Vielfalt der Alpen erst so richtig geweckt. Wir überquerten den Haastpass in südliche Richtung und fuhren direkt bis ins Matukituki Tal weiter. Gemeinsam mit einem Hitchhiker an Board passierten wir die spektakulären Seen Wanaka und Hawea bei Sonnenuntergang. Von dort führte uns unser Weg ins umliegende Hinterland in die Berge des Aspiring Nationalparks. Unsere Fahrt danach leitete uns weiter ins Fjordland mit einem kurzen Aufenthalt im historischen Ort Arrowtown und der Stadt am See Queenstown. So dauerte es nicht lange und bald erreichten wir das Herz des Fjordlands, den Milford Sound. Hier wollten wir uns etwas mehr Zeit geben und durch viele unterschiedliche Tageswanderungen die Einzigartigkeit dieser Landschaft entdecken, bis wir uns weiter aufmachten nach Te Anau und dem Ziel den Kepler Wanderweg zu bestreiten. Damit war unser beider Sättigungsgrad fürs Erste erreicht und wir verließen die Regionen der Berge wieder um uns auf den Weg nach Bluff, dem südlichsten Punkt der Insel, zu machen.
1 Matukituki Valley
Weit und breit gibt es hier keine Zivilisation mehr. Das Matukituki Tal liegt am Beginn des Aspiring Nationalparks, welcher mit über 100 Gletschern einem Paradies der Berge gleicht. Von hier aus kann man alles nur mehr zu Fuß beschreiten, denn Straßen existieren hier im Hinterland noch nicht.
Wir erreichten unser Ziel nach einer langen und anstrengenden Fahrt durch unwegsames Gelände. In dieser Nacht begegneten uns nahezu alle Tierarten, die wir aus dieser Region kennen. Opossum-Familien gingen nachts auf Wanderschaft, Kühe ruhten sich gemütlich auf der Straße aus und Schafherden liebten es unseren Van gekonnt zu ignorieren. Hinzu kam, dass wir immer wieder Straßenfurten durchqueren mussten, die durch spontane Wassermaßen mit der Zeit ausgespült wurden. Als wir erwachten, strahlte die Sonne schon durch die Fenster unseres Vans und wir sahen zum ersten Mal die Umrisse des Tales. Wir befanden uns am Cedar Creek Parkplatz, dem Ausgangspunkt unserer heutigen Wandertour hoch zum Rob Roy Gletscher. Er wurde uns von vielen Wanderern als ihr beste Reiseerlebnis Neuseelands weitergegeben. Obwohl die Wanderung nur 4 Stunden dauern sollte, nahmen wir uns den ganzen Tag dafür Zeit.
Wandermarkierungen existieren in Neuseeland so gut wie gar nicht, meistens braucht man aber auch nicht viel mehr tun als einfach gerade aus dem gut sichtbaren Weg zu folgen, bis man sein Ziel erreicht, in unserem Fall blickten wir auf eine eindrucksvoll hohe Felswand mit etlichen 100-Meter hohen Wasserfällen. Hin und wieder begann es zu krachen und wir sahen Lawinen wie sie oben im Fels begannen ihren Weg ins Tal zu suchen. In diesem Moment wurde für uns wieder spürbar, wieviel Wasser und Leben gemeinsam haben und welche Zwischenrolle das Eis dabei spielt. Abseits der Wege spazierten wir weiter taleinwärts und folgten selbst gebauten Steinmännchen, die an verschiedenen Stellen strategisch positioniert waren. Wir erreichten eine Anhöhe auf der wir freien Blick auf den Fuß des Gletschers hatte. Wir wechselten kurz Blicke und sofort war uns beiden klar das wir zum Eis hinunter mussen. So liefen wir über unbefestigten Schotten steil bergab um einige Minuten später am Fuß des Gletschers zu stehen. Wir sahen Öffnungen im Eis und kletterten hinunter um alles aus nächster Nähe zu betrachten. So standen wir das erste Mal in unserem Leben dann vor einer Gletscherwand und konnten sie auch tatsächlich berührten. Wir entdeckten die einzelnen Schichten, die uns an die Jahresringe von Bäumen erinnerten, erforschten organisch entstandene Höhlenstrukturen die durch wiederholende Schmelz und Vereisungsmomente entstanden sind und suchten unseren Weg durch eiskalte Bäche und herab tropfendes Schmelzwasser. Der Gedanke, dass wir Eis, das über viele Jahrtausende hier nun zur Oberfläche vordrang, berühren konnten, brachte uns zum Staunen und versetzte uns in Schrecken gleicher Maßen. Wie wird sich dieser Ort in ein paar Jahrzehnten anfühlen?
2 Wanaka
Angekommen in Wanaka versprühte der Ort von Anfang an einen besonderen Charme. Die überschaubare Stadt liegt im Tal einer hügeligen Umgebung und hat sich direkt an einem traumhaften See angesiedelt. Die bunten Laubwälder strahlten in der Nachmittagssonne des milden Herbstes. Wir spazierten den See entlang und begutachteten die teuren aber architektonisch toll gelösten Sommerresidenzen.
Wenig später liefen wir dem schottischen Pärchen, welches wir eine Woche zuvor beim Fischen kennengelernt hatten, über den Weg und vereinbarten Abends uns in einem netten Pub zu treffen. Nach einigen heiteren Stunden in netter Gesellschaft erreichten wir spät nachts unseren Campervan. Völlig müde und entschlossen trotz der nicht zu übersehbaren Warnschilder mit “Übernachten und Campen verboten“ legten wir uns hier schlafen. Gegen 4 Uhr früh wurde Cori von hellen Taschenlampenlicht geweckt. Sofort war klar, dass ein Parksheriff Kennzeichen notiert und Strafzettel verteilt. Wir öffneten verschlafen unsere Tür und versuchten um eine Strafe herum zu kommen. Widerwillig meinte er dann schlussendlich, wenn wir auf der Stelle verschwinden würde er uns keine 200$ Strafe verpassen. Heil froh fuhren wir völlig ohne Plan los. Einfach nur schnell weg! Müde aber überglücklich überbrückten wir die Wartezeit mit warmen Tee an einem nahe gelegenen Parkplatz bis es hell wurde.
3 Arrowtown
Der Grund warum wir überhaupt hierher kamen, war eine ausgesprochen gut gemachte Fotografie der Stadt auf einer Postkarte, die wir in Wanaka in einem Souvenirshop sahen. Deswegen wussten wir auch nicht so recht, was uns erwarten würde. Wir fuhren langsam die kleinen Gassen entlang und versuchten uns selbst irgendwo einzuordnen. Neben uns wuchsen Apfelbäume. Die Häuser waren recht klein gehalten, aber doch auf verspielte Art und Weise sehr ähnlich inszeniert. Wir bemerkten außerdem schlagartig, dass der Herbst hier schon angekommen war, wodurch eine ähnliche Stimmung wie auf der Postkarte zu bestehen schien. Wir parkten unser Fahrzeug und liefen die Hauptstraße entlang. Ein Haus nach dem Anderen wirkte noch recht traditionell und dennoch vollkommen auf dem neuesten Stand. Darin verstreut fanden wir überall teure Boutiquen und gehobene Restaurants. Es gab überall Antiquitätenhändler und vieles verwies auf eine geschichtsträchtige Vergangenheit des Ortes. Erzählt wurde, dass der Goldrausch hier Einzug hielt und der Stadt Reichtum brachte. Das damalige so entstandene liebenswerte Bild der Stadt wurde erhalten und stellt heute das Konzept der Anwerbung um neue Bürger dar. Vielen Neuseeländern fehlt es in ihrer Kultur an geschichtsträchtigen Werten, wodurch diese Art der Stadtplanung genau dort ansetzt, wo sie womöglich auch gebraucht wird. Obwohl wir hier nur einen halben Tag unsere Zeit verbrachten, gefielen uns die Wertvorstellungen die diese Magie entstehen lässt. Wir fanden eine Süßwarenhändlerin, die alles selbst herstellt und Ballettunterricht wird öffentlich am kleinen Hauptplatz in der Mitte des Rasens abgehalten. Ein Juwelier beschreibt die Geschichten seiner ausgestellten Goldnuggets und ein Irisch-Pub Besitzer ist stolz darauf den günstigsten und besten Kaffee der Stadt auszuschenken. Manchmal sind es einfach die Details die eine Geschichte formen.
4 Milford Sound
Wir konnten es nicht glauben als wir am Tor zum Fiordland standen. Schon zu Beginn unserer Reise wollten wir diesen Teil der Südinsel unbedingt bereisen. Im Infocenter versicherte man uns angeblich keinen Regen und ausschließlich Sonnenschein, ganz glauben kann man der Vorhersage in Neuseeland aber leider nicht. Innerhalb einiger Stunden kann sich das Wetter, welches vom Meer kommt, schnell ändern. Wir versuchten zu vertrauen und planten für die nächsten Tage einige Wanderungen. Durch die naheliegenden Alpen entsteht in der Region mit über 8000mm eine der niederschlagreichsten Gegenden der Erde und führt damit zu einer ständig wechselnden Süßwasserschicht in Meeresgegend, wodurch die Pflanzenarten eine ungewöhnliche Vielfalt aufweisen.
Der Milford Sound ist die am weitesten erschlossene Fjorde von Neuseeland und infolgedessen eine der wichtigsten Attraktionen des Landes. Während der letzten Eiszeit haben Gletscherbewegungen tiefe Täler und Tausende Meter hohe Felswände erschaffen. So liefen wir neben reißenden Flüssen entlang, standen vor beeindruckenden gigantischen Wasserfällen und besuchten glasklare Seen, die das Alpenpanorama darin spiegelten. Eine der besten Wanderungen war dabei mit Sicherheit der Gertrude Sattel, von dem aus wir eine Aussicht über die Weite des Fjordlandes bekamen.
Zum Schluss unseres Aufenthaltes hier entschieden wir uns früh morgens eine Schiffrundfahrt zu nehmen. In den 2 1/2 Stunden fuhren wir vorbei an Bergen wie den Mitres Peak, der wie ein König inmitten der Fjorde thront, und die Meeresmündung immer weiter hinaus bis aufs offene Meer. Nach und nach lichteten sich die Wolken und zeigten mehr Berge und Wasserfälle. Wie sahen Delfine auf Futtersuche und den Serafin Fall, der mit voller Wucht ins Meer kracht. Dabei inszeniert er ein wunderschönes Spiel an Formen und Muster auf der Wasseroberfläche. Es fühlte sich hier fremd an, wie in einer anderen Welt. Auch wenn manchmal einzelne Bausteine die gleichen zu sein scheinen wie zu Hause, ergibt erst das gesamte Bild ein spannendes fremdartiges Erlebnis an das wir uns erinnern werden, dachten wir still in uns hinein.
5 Kepler Track & Te Anau
Die ersten Kilometer ging es nur gerade aus entlang des Sees. Das Wetter machte keinen guten Eindruck und so versuchte Manuel weiter zukommen und legte an Geschwindigkeit zu. Am Rücken begleitete ihn sein Rucksack mit allem was zum Übernachten in der Natur dazugehört. Da die meisten Camping Platze schon ausgebucht waren, versuchte er die Runde in zwei Tagen zu machen. Der Weg war gut ausgebaut und bald erreichte er die Baumgrenze und kurz danach schon die Luxmore Hütte. Dort stoß er auf ein paar Wanderer, die er mit Cori schon ein paar Mal getroffen hatte. Viele übernachten hier in dieser Hütte, doch nach einem Mittagessen ging es für Manuel sogar in frischer Gesellschaft wieder weiter. Ab dann wurde es spannend und der Himmel begann sich langsam zu lichten. Gerade in dieser Gegend ist das nicht selbstverständlich. Inmitten goldener Bergwiesen wanderten sie zu viert den Grat entlang und staunten über die Formen der Landschaft. Das Wetter zeigte sich von seiner aktivsten Form und ständig entdeckten sie neue interessante Wolkengebilde an ihnen vorbeiziehen.
Während Manuel seine Wanderung bestritt, gönnte sich Cori eine Verschnaufpause im kleinen Ort Te Anau. In den letzten Tagen hatten sie so viel erlebt, dass fast keine Zeit war das alles zu verarbeiten. So schlenderte sie den See entlang und beobachtete auf der gegenüberliegenden Seite die Berge, wo Manuel bereits seit einigen Stunden unterwegs war. Wenige Minuten später bemerkte sie wie sich Wolken auf die Berge zubewegten und wünschte Manuel, dass es dort oben kein schlechtes Wetter geben wird.
Müde und erschöpft erreichte Manuels Reisegruppe den Campingplatz nach Sonnenuntergang. Richtigen Regen gab es an diesem Tag keinen. Gemeinsam bauten sie die Zelte auf und ließen den Tag gemütlich ausklingen. Am nächsten Tag brach Manuel früh auf, um zurück zu sein zur vereinbarten Zeit. Die Berge hinter sich gelassen ging es fast nur gerade dahin durch farbenfrohe Moorlandschaften und entlang eines Seeufers.
Erledigt von der langen Wanderung erreichte Manuel am frühen Nachmittag sein Ziel, wo Cori schon ausgerüstet mit leckerem Essen und kaltem Bier am vereinbarten Treffpunkt wartete. Es war das erste Mal seit Anbruch unserer Reise, dass wir eine Nacht voneinander getrennt verbrachten!
6 Bluff
Der südlichste Punkt von Neuseeland ist da. Hier hat alles sein Ende oder seinen Anfang. Der Antarktis so nahe und doch noch so weit entfernt. An dieser Stelle treffen sich alle Reisenden der Südinsel. Ob Tramper, die wochenlang zu Fuß unterwegs sind, Leute die wie wir sich mit ihrem Bus fortbewegen oder ganze Reisegruppen, die ein Foto nach dem anderem machen wollen. Für uns fühlte es sich schon wie ein Meilenstein an, vor allem nachdem wir noch gar nicht so lange zuvor am nördlichsten Punkt unsere Reise begonnen hatten. Leider war der Ort nicht so episch wie unsere Verbundenheit dazu und so gingen wir an den nächstgelegenen Strandabschnitt und sammelten schimmernde Paua Muscheln. Insbesondere in der Kultur der Maori werden diese zu Schmuck verarbeitet oder als Augen in geschnitzte Figuren eingesetzt und als Verzierungen von Versammlungshäuser verwendet.
Genau an diesem Punkt, wo man plötzlich sieht wie weit weg alles ist, überkam uns das Gefühl von Heimweh und das beste Mittel was uns helfen konnte: Hol die Heimat zu dir! So packten wir am Parkplatz unseren beladenen Bus aus und machten uns in unserer kleinen Küchen inmitten unzähliger kommender und gehender Touristen einen leckeren Kaiserschmarrn!
Matukituki Tal bis Bluff
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