Parvati Valley
Angekommen in Kasol im Herzen des Parvati Valleys wollten wir am nächsten Tag in das Dorf Chalawe wandern. Wir haben um zehn Uhr nach unserer morgendlichen Yogastunde unser Guesthouse am Rande von Kasol verlassen. Um nicht mit leeren Magen los zumarschieren, gingen wir noch nebenan in ein kleines Restaurant wo wir schon von den Tagen zuvor wussten, wie lecker ihr Essen schmeckt. Da wir im netten kleinen Gastgarten keinen freien Tisch fanden, teilten wir einen mit dem Holländer Roger. Er war schon einige Zeit hier und erzählte uns viel von den umliegenden Seitentälern und Dörfern. Am meisten faszinierte ihn die wilde Seite der Natur, die man hier zu Gesicht bekommt. Als Dj beeindruckte ihn dabei, dass etwas so Gewaltiges durch den Zufall der Natur entsteht und nicht vom Menschen programmiert wurde. Wenn Gespräche gut sind, dauern sie meist länger, doch um 12:00 machten wir uns dann schlussendlich auf den Weg in eine andere Landschaft.
Der erste Teil führte durch die Ortschaft Kasol hindurch. Die Häuser drängen sich dicht um einen kleinen Hauptplatz, wo Strassenverkäufer, Aussteiger und Shops mit allem was man zum täglichen Leben braucht das öffentliche Leben darstellen. Hier befindet sich auch die einzige Bushaltestelle hinaus aus dem Parvati Valley und der Taxistand für weiter entfernte sehenswerte Gelegenheiten. Von dort aus gingen wir über eine Stahlbrücke talabwärts den Parvati River entlang. Inmitten des hohen Nadelwaldes trafen wir auf indische Touristen und entdeckten Gasthäuser mit Namen wie Cosmos, Skyward, oder Galaxy. Am Abend mutieren viele davon zu Partyzentren elektronischer Musik und stellen Zelte bereit zum Übernachten. Nach kurzer Zeit erreichen wir dann auch den kleinen Ort Chalawe. Hier gibt es keine Straßen mehr, Kinder spielen in den Feldern und Güter des täglichen Bedarfs werden auf Karawanen aus Eseln transportiert. Der Tag war schön und die Landschaft gefiel uns und so gingen wir in ein Seitental Richtung Rashol, ein traditionelles Bergdorf. An einer umzäunten heiligen Stelle vorbei, stiegen wir immer steiler und tiefer in das Tal hinauf. Die Bäume wurden niedriger und die Pflanzenwelt erblühte in einem saftigen Grün. Ein Spiel aus unterschiedlichsten Grüntönen und organischen Formen verwandelte die Umgebung in ein Paradies aus Mustern, Reptilien und Insekten hauchten ihnen Leben ein. Am Weg trafen wir immer wieder dieselben Einheimischen, wie einen Inder der in einem Sack Waren nach oben ins Dorf brachte. Nach einer steilen Passage erreichten wir drei Stunden später das erste Hochplateau von wo aus in den Berghängen die ersten Häuser von Rashol sichtbar wurden. Hier lungerten die Jungen im Gras und trieben Späße, die Mütter bewirtschafteten die Felder und die Männer saßen am Wegrand in Gespräche verwickelt. Obwohl wir merkten, dass das moderne Zeitalter auch hier schon angebrochen ist, sind die meisten Häuser noch in traditioneller Bauweise gefertigt. Meist sind sie von einer großzügigen Veranda umgeben, auf der Wäsche getrocknet wird und gestapeltes Holz liegt.
Anders als in Malana einen Tag zuvor ist es hier sauber, die Menschen sind freundlich und meist für einen Händedruck und ein freundliches Lächeln bereit. In Malana herrschte diesbezüglich eine sonderbare Kultur. Dort war es uns nicht erlaubt auch nur irgendetwas zu berühren, geschweige denn Einheimischen zu nahe zukommen. Im Glaube das fremde Besucher als „Unberührte, Kastenlose“ weniger Wert sind, schritten sie immer in einen großen Bogen um uns herum. Als könnte ein Erlebnis wohl nicht unverständlicher und unangenehmer sein, ist es trotzdem einer der bewegendsten Erfahrungen, die wir je erleben durften.
In Rashol fühlten wir uns hingegen willkommen. Wir setzten uns in kleines Restaurant, aßen Aloo Parantha und genossen die Aussicht der Landschaft. Gerne hätten wir hier auch übernachtet, doch entschieden wir uns für den Rückweg und die Einhaltung unseres Reiseplanes. In letzter Zeit sind wir sehr langsam gereist, jetzt wollten wir wieder mehr in Bewegung kommen. Wir passieren wieder den Hauptplatz mit dem Tempel, wo Kinder auf uns zukamen und einen Spielpartner suchten. Die ältere Generation unterhielt sich darüber mit einem Lächeln und wir freuten uns über die Annäherung mit dieser fremden Kultur. Am Weg zurück trafen wir eine Eselskarawane. Ihr Hirte wollte eine Pause einlegen und fragte uns ob wir nicht seine Tiere ins Tal treiben wollen. Überrascht und dennoch berührt nahmen wir uns unserer Verantwortung an und versuchten die zehn Tiere vor uns herzutreiben und beisammen zuhalten. Über gerade Waldpfade und steile Felslandschaften marschierten wir so bis ins Tal und freuten uns über neu gewonnene Wegbegleiter. In Chalawe holte uns der Hirte ein, bedankte sich und wir machten uns auf den Weg zurück zu unseren momentanen zu Hause.
Kullu Valley
Am nächsten Tag führte uns eine weitere abenteuerreiche Busfahrt ins Kullutal nach Manali. Während diesen vergleichsweise kurzen vier Stunden wurde die Natur um uns herum wieder wilder, der Fluss breiter und die Landschaft mit den hohen Bergen am Horizont gewaltiger. Angekommen am Busbahnhof nahmen wir ein TukTuk in den abgeschiedenen heiligen Ort Vashisht. Dort fanden wir nach nicht all zu langer Suche ein gemütliche Gästehaus an einer kleinen Anhöhung, dass nur durch unzählige hohe Stufen erreichbar ist. Von hier aus hatten wir ein unglaubliches Panorama über die Stadt und die dahinter liegende Berglandschaft. Die Ähnlichkeiten der Umgebung erinnerten uns oft an Österreich. Jeden Morgen weckten uns die ersten Sonnenstrahlen in der Reflexion der schneebedeckten Bergspitzen und wenn es dunkel wurde, merkten wir, dass die Nächte kühler sind, als zuvor. Vom Besitzer erfuhren wir von den heißen Quellen die nebenan im Tempel nur fünf Minuten entfernt sind. Dort konnten wir jeden Tag heiß baden, insbesondere wenn im Dorf wieder einmal Strom ausfiel. Tagsüber machten wir von diesem neuen Ort der Zuflucht aus kleine Ausflüge und besuchten so Old Manali, dessen erhaltener Ortskern viele Jahrhunderte zurück reicht und wanderten mehrmals zum Jogini Wasserfall und seinem idyllischen Tempel. In New Manali schlenderten wir mit indischen Touristen die autofreie Einkaufsstraße entlang und beobachteten sie dabei, wie sie ihren Urlaub hier verbringen. In einem Gespräch mit einem Inder bemerkte dieser zu unserer Reiseroute, dass wir angefangen bei Varanasi bis hierher unbewusst einige der gegenwärtigsten heiligsten Orte Indiens besucht haben. Was uns bisher so nicht klar gewesen ist, formte für uns dadurch eine schöne Reisegeschichte für die Zukunft. Wir überlegten hier hin und wieder unseren Weg fortzusetzen in den Himalaya nach Kashmir, doch die hochalpinen Pässe waren noch nicht frei und die paar Wochen warten war uns zu lange. So entschieden wir uns nach ein paar schönen ruhigen Tagen auf nach Delhi zu machen, der Megacity mit 16 Millionen Einwohnern und durchschnittlichen 45 Grad.
Delhi
Früh morgens angekommen rochen wir schon die starken Abgase der Stadt. Das anfängliche Sprichwort unserer Reise entweder man liebt es oder man hasst es passte wieder mal sehr gut. Vom ersten Moment an starrten Inder uns aufdringliche und unangenehme Löcher in den Bauch und belagerten uns mit billigen Waren zu horrenden Preisen. In riesigen oft mit Stacheldraht abgezäunte Bezirke unterteilt, halten unendlich lange und breite Strassen die Stadt zusammen und den Verkehr den ganzen Tag über im im Fluss. Meist durch Überqueren von Überführungen gelangten wir in den nächsten Bezirk. Wo in Kasol und Manali die Flüsse der Täler unterschiedliche Bereiche definierten, trennt hier der Motor des Fortschritts die beiden Seiten.
Währenddessen bekamen wir die Armut der Bevölkerung zu spüren. Darunter viele bettelnde Kinder, brennende Müllhalden und kranke Tiere. So bewegten wir uns meist mit der klimatisierten Metro quer durch die Stadt abseits dieser ganzen Eindrücke. Diese war erstaunlicherweise sehr modern, günstig und durch die enormen Kontrollen auch sicher. Wir erhielten einen guten Eindruck von unterschiedlichsten Bereichen der Stadt.
Selbst ließen wir uns in Majnu-ka-Tilla nieder. Diese tibetische Kolonie, ursprünglich entstanden durch Flüchtlinge aus Tibet, soll den Erzählungen nach mit seinen engen Gassen und kulturellen Details an die ehemalige Hauptstadt Lhasa erinnern. Kleine Shops verkaufen billige Souvenirs an den Straßenecken und Restaurants zauberten uns leckere Momos.
Delhi wird oft als das Rom von Asien bezeichnet. Viele archäologische Denkmäler zieren das Bild der Stadt, meist angelegt mit prächtigen grünen Parkanlagen. Das Red Fort in Old Delhi besuchten wir nur von außen, da die wartende Schlange an Menschen uns zu sehr beängstigte. Doch der anschließende Besuch der benachbarten Chandni Chowk und seinem Bazaar war den Weg dorthin Wert genug. Eine mit Menschen und Rikschas völlig überfüllte Strasse verkauft dort so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Nach einer Stunde waren wir erledigt und flüchteten auf der Suche nach einem Mittagessen ins nächste Restaurant.
Dafür besuchten wir Jama Masjid, eine Freitagsmoschee erbaut aus rotem Sandstein während des mogulschen Reiches, wo mehr als 20.000 Menschen Platz finden. Leider war während unserer Ankunft gerade Gebetszeit und uns wurde der Einlass verwehrt.
Und so warteten wir, beobachteten Reisegruppen, einheimische Gläubige und Rikschas wie sie unsere Wege kreuzten und versuchten zu verstehen, was in dieser Stadt vor sich geht.
Im Bezirk Hauz Khas fanden wir eine eine Partygegend angedockt an wunderschöne Ruinen vergangener Zeiten und eingebettet in ein Meer aus Parkanlagen vor. Ursprünglich entstanden als Wasserspeicher für die Einwohner des Siri Forts, erkannte der Sultan das Erholungspotential und errichtete Residenzen, die heute noch als offene Ruinenlandschaft betreten werden können. Heute hat sich diese Gegend zusätzlich als Konsumaktivität etabliert und bedient unterschiedlichste Charaktere, vor allem aber die jüngere Generation. Von altenglischen Stilen über Steampunk, Streamlined oder Minimalistisch Modern findet man hier jeden Möglichkeit der Gestaltung bis zu seiner völligen Übertreibung.
Jedes Mal kamen wir völlig erledigt zurück auf der Suche nach Ausgleich, Entspannung und dem Gedanken an die unfassbaren Eindrücke, die wir zu Gesicht bekamen.
Wir haben von Delhi keine Bilder gemacht. Einerseits sind die Eindrücke, die wir hier hatten, nicht in Bildern festzuhalten und andererseits fühlt es sich erheblich leichter und unbeschwerter an, sich durch dieses Labyrinth aus Möglichkeiten und Eindrücken ohne Wertgegenstände zu bewegen.
Bilder erzählen eindrucksvolle Geschichten, oft beschreiben aber auch einige Worte mehr, als Bilder je aussagen könnten.
Doch irgendwie erleichtert erreichten wir dann schlussendlich nach zwei Tagen den Flughafen und voller Vorfreude stiegen wir in das Flugzeug in Richtung Sri Lanka. Strahlend schauten wir uns an und wussten beide ohne es aussprechen zu müssen, Indien wird uns jedenfalls noch öfters sehen! So viel gibt es hier noch zu entdecken und zu lernen, doch ist dieses Land mit seinen unterschiedlichen Klimazonen und seiner unfassbaren Kultur einfach zu groß und intensiv, um es auf einmal bereisen zu können.
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